Gastbeitrag : Sind Logistikimmobilien die Stromerzeuger der Zukunft?
Wir leben in einer Zeit, in der wir von Herausforderungen umgeben sind. Die Realität des Klimawandels zwingt uns schon seit Längerem, uns mit den Themen Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung auseinanderzusetzen. Der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise haben den Handlungsbedarf weiter verstärkt. Der Klimawandel und die erforderliche Energiewende beschäftigen bereits seit einigen Jahren den Logistikimmobilienmarkt, und mittlerweile gibt es durchaus Leuchtturmprojekte für Selbstversorgerobjekte. Ziel ist die Energieautarkie der Objekte durch Alternativen in der Stromversorgung, bei denen Logistiker über ihre Immobilien selbst zu Stromerzeugern werden und damit zur Versorgungssicherheit beitragen. Allerdings fehlen Standards für die ESG-Vorgaben, was zu Verunsicherung führt, denn wer zahlt am Ende die Kosten, wenn der Gesetzgeber kostenintensive Nachrüstungen fordert?
Immerhin kommt dem Immobilien- und Bausektor, der für ganze 38 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich ist, auf dem Weg zur Energiewende eine tragende Rolle zu. Lange war die Nachhaltigkeitsfrage sekundär gegenüber anderen Problemen, wie dem ebenfalls drängenden Mangel an verfügbaren Flächen. Doch auch wenn es zuerst nach mehr Kosten aussieht – in klimaschonende und energiesparende Maßnahmen zu investieren rechnet sich langfristig. Denn durch die erhöhten Energiekosten steigt die sogenannte zweite Miete, und nur gezielte Maßnahmen können dem wirklich entgegenwirken. Zudem lassen sich Immobilien, die nicht auf Nachhaltigkeit setzen, langfristig schlechter vermieten. Hier ist es wichtig, den Aspekt der Zweit- und Drittverwertbarkeit zu berücksichtigen, wenn es um die Umsetzung von ESG-Auflagen geht.
Millionen Quadratmeter verschenktes Potenzial
Das Potenzial, ein Wegbereiter für diese Energieautarkie zu werden, haben hier vor allem Logistikimmobilien. Allein in Deutschland entstanden im vergangenen Jahrzehnt auf Logistikimmobilien ganze 30 Millionen Quadratmeter PV-nutzbare Neubau-Dachfläche, deren Potenzial brachliegt. Bei voller Auslastung können diese bis zu 2,5 Terawattstunden Solarstrom produzieren und damit rund eine Million Tonnen CO2 eingespart werden. In Österreich besteht ein ähnlich hohes Potenzial, das Player in der Branche bereits erkannt haben: Der internationale Transport- und Logistikdienstleister Gebrüder Weiss hat beispielsweise auf dem Weg zu klimaneutral betriebenen Logistikanlagen an seinem Standort Graz eine Photovoltaikanlage mit einem maximalen Stromertrag von jährlich über 460 Megawattstunden in Betrieb genommen. Dies entspricht etwa der Hälfte des Energiebedarfs des 27.000 Quadratmeter großen Logistikzentrums.
Der Handlungsbedarf ist in Österreich ebenfalls groß. Die Bundesregierung in Wien hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 die Treibhausgasemissionen um 36 Prozent gegenüber 2005 zu reduzieren. Solarenergie soll als erneuerbare Energiequelle einen wesentlichen Beitrag zu dieser Zielsetzung leisten, da rund 40 Prozent aus Photovoltaik (PV) gewonnen werden soll. Würde man diese Möglichkeit ausschöpfen, wäre eine Stromerzeugung in der Größenordnung von Solarparks möglich. Idealerweise werden diese ergänzt durch eine Solarthermie-Anlage für Heizung und Warmwasser und eine isolierte Gebäudehülle. So würden sich Logistikimmobilien sogar langfristig als Stromerzeuger etablieren und einen erheblichen Beitrag zur Energiewende leisten. Zudem können großflächige Gewerbeparks Windräder auf ihrem Gelände installieren, welche die Energiegewinnung unterstützen und auch nachts Strom produzieren.
In Deutschland gibt es bereits einige Leuchtturmprojekte für energieautarke Gebäudekonzepte. Im baden-württembergischen Eschbach bei Freiburg realisiert der Hamburger Projektentwickler Ixocon eine ca. 18.500 Quadratmeter große Produktions- und Lagerimmobilie für die Avnet Embedded (Freiburg) GmbH. Das Objekt weist alle wichtigen Standards einer nachhaltigen Logistikimmobilie auf:
- Eine Energieeffiziente Gebäudehülle mit überdurchschnittlich gedämmten Außenwänden
- Eine PV-Anlage auf dem Hallendach zur Energiegrundversorgung
- Als ökologisches Highlight eine Kühlung und Heizung der Immobilie über ein Wasser-Wärmepumpen-System
- Eine hohe Energieeffizienz durch Abwärmenutzung der Produktionsmaschinen
- Senkung des Strombedarfs durch intelligente Lichtsteuerung sowie Gebäude-Leittechnik
- Gezielte Vermeidung von Kältebrücken bei den Toren
Nicht nur beim Gebäude wurde auf Nachhaltigkeit geachtet. Auch die Außenanlagen entsprechen durch eine klimatische und optische Aufwertung mittels Pflanzung heimischer Bäume und damit einer Stärkung der lokalen Pflanzenwelt höchsten Nachhaltigkeits-Standards.
Nachhaltiger Strom für alle
Das Beispiel aus Baden-Württemberg zeigt: Logistikflächen bieten viel Potenzial bei der Energieautarkie und zur Stromerzeugung – und das sollte genutzt werden. Im fortwährenden Diskurs mit den Kommunen, angesichts des enormen Nachfrageüberhangs deutlich mehr Flächen auszuweisen, sollte deshalb der ökologische Fußabdruck von energieautarken Immobilien noch stärker zur Sprache gebracht werden. Dem Image der Logistik hilft die Energieautarkie allemal. Wenn Logistikimmobilien neben der Energieselbstversorgung auch als Stromproduzenten für die Kommunen agieren können, ist das ein gewichtiges Pro für eine Ansiedlung und eine Win-win-Situation für beide Seiten.
Das Momentum, die anhand von PV-Anlagen gewonnene überschüssige Energie der Logistikimmobilien in kommunale Netze einzuspeisen, nimmt auch das Konzept der „Power of Logistics“-Initiative des Themenkreises Logistikimmobilien der Bundesvereinigung Logistik (BVL) auf. Ihr Ziel ist es, die Logistikbranche als Versorger von nachhaltiger Energie zu etablieren und den Ausbau regenerativer Energie voranzubringen. Dadurch kann die Logistikbranche Versorgungslücken in der Bevölkerung reduzieren und der Energieautarkie einen entscheidenden Schritt näherkommen. Zudem werden so in den Kommunen Vorbehalte abgebaut werden: Logistikgebäude könnten sich zu einem gefragten Energieversorger wandeln.
Kuno Neumeier ist CEO der Logivest Gruppe.