Trends : So sieht die Zukunft der Logistik aus
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Crowdshipping: Im Herzen eins
Für Last-Mile-Sendungen könnten Verlader künftig private Transportkapazitäten heranziehen. Ob Privatmann oder CEO: Jeder kann Teil der Matching-Plattform – und Fahrer-Community – sein.
Nein, es wird nicht das Zeitalter der stillgelegten Lkw-Flotten heranbrechen. Dunkle Hinterhöfe werden auch nicht zur letzten Ruhestätte ganzer Kolonnen leichter Nutzfahrzeuge. Wer sich derlei starke Bilder wünscht, dessen Erwartungen muss Alexander Gruber dämpfen.
Aber der Projektmitarbeiter im Bereich Logistikzentren und Netzwerkplanung bei Fraunhofer Austria erforscht im Projekt Stand PI einen logistischen Ansatz, der doch das Zeug dazu hat, die Gemengelage in der Transportlogistik zu verändern.
„Crowdsourcing Delivery oder Crowdshipping, so wie wir es uns vorstellen, setzt auf die Nutzung von privaten Transportkapazitäten für Letzte-Meile-Sendungen von Industrieunternehmen“, schildert Gruber.
Diese Kapazitäten könnten etwa die Kofferräume von privaten Pkw sein. Die Problematik der überhandnehmenden Transporte habe mit den Anfängen der Just-in-time-Fertigung und dem Boom von E-Commerce in vielen Unternehmen ihren Ausgang genommen. Alle Bemühungen, Transporte klimaschonend durchzuführen und den Verkehr im Sinne der Lebensqualität auf ein erträgliches Ausmaß zu begrenzen, hätten dadurch „zusätzliches Gewicht erhalten“, so Gruber.
Vom Pizzalieferanten, der sich ein Zubrot verdienen will, bis zum CEO mit stattlichem Salär, der dienstlich ins Industriegelände muss. Grundsätzlich jeder könne Teil der Community, Teil dieser angestrebten neuen Plattform für den Versand von Paketen bis maximal 31,5 Kilogramm sein. Ein Algorithmus auf Basis maschinellen Lernens schafft „ein optimales Matching zwischen der verladenden Industrie, den Transporteuren der Crowd und den Endkunden“.
Big Data für große Pakete
Jenen Algorithmus entwickelt Fraunhofer Austria, das Forschungsinstitut hat im Projekt die Konsortialträgerrolle inne. Gruber ist Big-Data-Spezialist, als solcher ist ihm das Verknüpfen von abertausenden Datenpunkten berufliche Erfüllung. Und auch Zahlenspiele mag er, wenn deren Ausgang überzeugender Natur ist, wie hier: Rund 160.000 Pkw befahren die Wiener Tangente jeden Tag, die Transportkapazität von umgerechnet 430 Lkw liegt demzufolge also brach. Diese zu nutzen, ist etwa in den USA schon gang und gäbe – Uber und Walmart setzen im B2C-Bereich auf Vernetzung von Privatpersonen auf Plattformen.
Eine industrielle flächendeckende Nutzung ist jedoch Neuland – weckt aber mit Blick auf die kombinierte Logistik der Zukunft, in der auch Drohnen mit Lieferungen in luftigen Höhen unterwegs sein werden, das Interesse so manchen Unternehmens. So sind im Projekt Stand PI der in Wien domizilierte Industrie- und Energietechnikhändler Schrack und der Wiener Neudorfer Transportlogistiker Johann Weiss mit an Bord. Letzterer etwa kann der Idee einiges abgewinnen, Fahrern eines Netzwerkverbunds über eine Software bisher nur bruchstückhaft vorhandene Parameter wie Live-Wetterdaten oder Staumeldungen „wie Nachrichten“ an Bord einzuspielen. „Je vorausschauender wir fahren, umso besser“ sagt Verkaufsleiter Peter Banovits.
Freilich: In den speditionellen Haupttätigkeiten des 1955 gegründeten Logistikbetriebs mit aktuell 13 Depots und 330 Lkw sowie 22.000 Palettenstellplätzen – namentlich Sammelguttransporte – sei ein Add-on-Szenario für den Pakettransport per Privat-Pkw wenig sinnvoll. „Rund 800 bis 1000 Pakete übergeben wir täglich an unseren Paketdienst, das ist preislich und ablauftechnisch schwer zu toppen“, meint Banovits. Jedoch findet er den Ansatz, durch die Kraft der Vernetzung mit anderen Transportunternehmen gemeinsam auf optimale Fahrzeugauslastung zu kommen, hochgradig verfolgenswert. Und was den KEP-Bereich betrifft: „Verlader könnten sich die taggleiche Zustellung von Paketen selbst organisieren“, so der Experte. Um etwa ein Nachhaltigkeitsstatement zu setzen – oder einfach nur, wenn es eilt.
Mit Testsendungen unter den Projektpartnern will Fraunhofer Austria erproben, wie sich der Ansatz in der Praxis schlägt. Gewiss von Vorteil: Mit Checkrobin ist auch ein Plattformbetreiber, der große Expertise in der Bündelung von Versandvolumen hat, an Bord.
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Automatisierter Gütertransport: Do-it-yourself-Lkw
Autonom fahrende Lastkraftwagen könnten künftig ein Bestandteil eines vollautomatisierten Straßengütertransports sein. Tests im industriellen Kernland laufen an.
Nur 600 Meter trennen den Logistik-Hub von Schenker vom BRP-Rotax-Produktionswerk in Gunskirchen. Besser also kann ein Produktionsstandort nicht an einen Logistikknoten angebunden sein. Doch im EU-Projekt AWARD sind 600 wiederkehrende Meter eine ganz schön stattliche Distanz, die es von Standort zu Standort zurückzulegen gilt: Das Projekt zielt auf die Erprobung eines vollautomatisierten Straßengütertransports ab.
Aktuell wird am Fahrzeug, eine Sonderanfertigung, die noch dazu einen umgebauten Elektro-Lkw als Basis hat und von Kamag Transporttechnik bereitgestellt wird, final getüftelt. Und auch dann wird es noch ein Weilchen – bis 2023 – dauern, bis der Versuchs-Laster in Gunskirchen losfährt: Sozusagen das Warm-up dafür geht 50 Kilometer weiter östlich auf einem geschlossenen Areal in St. Valentin – Teil der oberösterreichischen Testregion Digitrans – über die Bühne. Für Ann-Catherine Engelbrecht und das Logistikteam laufen die Vorbereitungen dieser Tage auf Hochtouren. Sie begleitet als Specialist Value Chain Planning bei BRP-Rotax das Projekt. Und weiß, wo die Herausforderungen liegen: „Erstmal soll das Fahrzeug bei jeder Witterung fahren, also auch bei Schnee, Regen und Eis“, schildert Engelbrecht.
Backup-Szenarien mitgedacht
Dann braucht es eine Lademöglichkeit am Rotax-Areal, die noch zu schaffen ist. Und schließlich bringt das Streckenprofil in Gunskirchen einige Herausforderungen mit sich: Namentlich sind das unterschiedliche Geschwindigkeitsbegrenzungen, eine Bahnunterführung sowie eine Linksabbiegekreuzung sowohl auf der Hin- als auch auf der Rückfahrt. Auch an Backup-Szenarien, falls eine Technologie des autonomen Lkw auf der Strecke schwächelt, muss gedacht werden. Für den österreichischen Antriebsbauer, der zum kanadischen BRP-Konzern gehört, der auch in der E-Mobilität ein Standbein hat und die gelinderten Lärmemissionen im Ort als Erfolg verbuchen könnte, war die Schlussfolgerung den- noch: Da sind wir dabei!
Avantgarde im Beschaffungswesen
Wohl auch deshalb, weil viele der Technologien, die der Antriebsbauer sich am Shopfloor zu eigen macht, durchaus avantgardistische Züge tragen. So sind fahrerlose Transportsysteme im Unternehmen schon länger gesetzt. Sie könnten die Brücke zur automatischen Be- und Entladung des Lkw-Prototypen schlagen, ein Bereich, bei dem auch eine Automatisierung angedacht ist. „Haben wir den Lkw auf der Strecke, wird dieser im ersten Schritt noch von einem Fahrer begleitet“, sagt Engel- brecht. Sobald der Prototyp da sei und alle Ampeln im Projekt auf Grün stünden, wolle man in Gunskirchen mit aller gebotenen Ernsthaftigkeit die erste Fahrt in Angriff nehmen. Nicht auszuschließen: dass einige der BRP-Rotax-Mitarbeiter dann an den Fenstern hängen werden.
Lernende Lager: Neuronal vernetzt
Das Lager der Zukunft soll sich – mehr denn je – auf eigene Faust intelligente Einlagerungsstrategien zurechtlegen.
Die TU München und der Softwareanbieter CIM entwickeln im Rahmen des Forschungsvorhabens SeSoGEN ein Warehouse Management System, das Lagerprozesse auf Grundlage künstlicher Intelligenz selbstständig optimiert. Das Projektziel ist die Entwicklung einer selbstlernenden Lagersoftware, die auf Basis neuronaler Netze selbstständig intelligente Einlagerungsstrategien generiert. Mit diesem neuen Ansatz der Prozessoptimierung sollen laut CIM die Einlagerung und die Auslagerung logisch miteinander verschmelzen.
Daniel Wöhr, Projektverantwortlicher bei CIM, hat die Details: „Aktuell ist es so, dass in Lagerverwaltungssystemen manuell Einlagerungsstrategien anhand bestimmter Artikelparameter wie Höhe, Breite oder Haltbarkeit im Lager fixiert werden“, erzählt er.
„So wird den Artikeln ein manchmal suboptimaler Lagerort zugewiesen, was zu einer ineffizienten Ausnutzung des Lagers und der zugrunde liegenden Prozesse führen kann“, sagt Wöhr. Daher werden die Forschungspartner einen neuen Weg der Lagerprozessoptimierung einschlagen: Das Warehouse Management System lernt aus Einlagerungs- und Auslagerungsdaten, um die Einlagerungsprozesse zu optimieren. Wovon wiederum die Auslagerung profitieren soll. Die Software könne so selbstständig bisher nicht realisierte Strategien entwickeln und verändern, um zum Beispiel kurze Wege und eine optimale Lagerauslastung zu garantieren, heißt es an der TU.