Nachhaltigkeit in der Logistik : Warum ESG-Anforderungen Lagerprozesse transformieren

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Die Anforderungen an nachhaltiges Wirtschaften steigen rapide – getrieben durch neue Regulierungen, gesellschaftliche Erwartungen und ein wachsendes Verantwortungsbewusstsein in Unternehmen. Was lange als freiwillige Unternehmensethik galt, entwickelt sich unter dem Schlagwort ESG (Environmental Social Governance) zur strategischen Pflicht. 

Besonders die Logistik steht dabei im Fokus, denn die durch Transport und Lagerung von Gütern verursachten Emissionen sind ein wesentlicher Bestandteil des CO₂ -Fußabdrucks eines Industrieunternehmens. Während in der vorgelagerten Wertschöpfungskette entstandene CO₂ Emissionen ausschließlich durch die Auswahl der Lieferanten gesteuert werden können, haben Unternehmen die Möglichkeit, die Logistikaktivitäten im Rahmen der eigenen Geschäftstätigkeit zu optimieren und so Klimaneutralität und Kosteneffizienz gleichermaßen anzustreben.

In Bezug auf Transparenz und Effizienz bietet dieser Bereich ein hohes Optimierungspotential, weshalb Lagerprozesse stärker in den Mittelpunkt der Nachhaltigkeitsdebatte rücken. Zur Ausschöpfung des Potentials werden technologische Antworten benötigt. SAP Extended Warehouse Management (SAP EWM) sowie SAP Cloud Warehouse Management (SAP Cloud WM) bieten genau hier ein solides Fundament.

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ESG als strategische Pflicht

Die Relevanz nachhaltigen Handelns für den Unternehmenserfolg wird gegenwärtig von den Stakeholdern vieler Unternehmen hinterfragt. Gesetzgeber und private Organisationen fordern national und international agierende Unternehmen dazu auf, Transparenz in Bezug auf Nachhaltigkeit zu schaffen. Die externe Nachhaltigkeitsberichterstattung soll sowohl die ökologischen, sozialen und unternehmensführungsbezogenen Auswirkungen unternehmerischen Handelns als auch das Management von entsprechenden Chancen und Risiken umfassen. Da ebenso private und institutionelle Investoren solche Informationen nachfragen und bei ihren Investitionsentscheidungen berücksichtigen, können sich Unternehmen dieser neuen Aufgabe nicht entziehen.

Der Umweltaspekt ("E" für "Environmental") erstreckt sich über das Thema des Klimawandels hinaus und umfasst unter anderem die Erfassung und Bewertung der Treibhausemissionen eines Unternehmens. Darüber hinaus werden weitere ökologische Dimensionen berücksichtigt, darunter die Ressourcennutzung, der Erhalt der Biodiversität sowie der verantwortungsvolle Umgang mit Gefahrenstoffen. 

Die Aspekte "S" für "Social "und "G" für "Governance" ergänzen den ESG-Nachhaltigkeitsbegriff um soziale Faktoren wie den Umgang mit Stakeholdern – etwa Mitarbeitern, Lieferanten, Kunden und Endnutzern – sowie um bestimmte Bereiche der Unternehmensführung. Der Blickwinkel beschränkt sich hierbei nicht nur auf die eigene Geschäftstätigkeit eines Unternehmens, sondern umfasst auch die vor- und nachgelagerte Wertschöpfungskette. 

Die EU-Unternehmensrichtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive - CSRD) sowie die EU-Taxonomie werden Unternehmen gesetzlich zu einem ESG-konformen Verhalten veranlassen. Damit einhergehende Berichtspflichten und Transparenzanforderungen machen ESG zur Querschnittsaufgabe, die alle Unternehmensbereiche betrifft – auch die Intralogistik. Während viele Organisationen bereits Maßnahmen in den Bereichen Produktion und Beschaffung eingeleitet haben, bleibt das Lager oft unterschätzt. Dabei bietet gerade dieser Bereich erhebliche Hebel für ökologische und soziale Optimierung. Zum Beispiel, wenn Prozesse systemisch unterstützt und Daten verfügbar gemacht werden.

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Nachhaltigkeit beginnt bei der Transparenz

Ohne valide Daten ist ESG-Compliance grundsätzlich nicht umsetzbar. SAP EWM und SAP Cloud WM ermöglichen eine durchgängige Prozessdokumentation und stellen damit die Grundlage für nachhaltige Steuerung und Berichterstattung bereit. Rückverfolgbarkeit von Warenströmen, Chargenverfolgung, transparente Materialflüsse – all dies lässt sich systemgestützt in Echtzeit abbilden. Die Integration von IoT-Komponenten, etwa zur Temperaturüberwachung oder zur Energieverbrauchserfassung einzelner Lagerzonen, schafft zusätzlich operative Einblicke, die weit über klassische Lagerkennzahlen hinausgehen. So wird Nachhaltigkeit nicht zur manuellen Zusatzaufgabe, sondern integraler Bestandteil der digitalen Lagersteuerung.

Energieverbrauch, Flächeneffizienz, Materialverwendung – Lagerkennzahlen neu denken

Ein nachhaltiges Lager zeichnet sich nicht nur durch grüne Energie aus, sondern auch durch intelligente Nutzung vorhandener Ressourcen. Das SAP EWM bietet die Möglichkeit, Slotting-Strategien zu implementieren. Indem das Produkt auf den passenden Platz eingelagert wird, können Wege optimiert, Durchlaufzeiten reduziert und die Kapazität der Lagerfläche gesteigert werden. Die Platzfindung ist dabei von verschiedenen, individuell definierbaren Faktoren abhängig. Die Prozessoptimierung führt zu einer Reduzierung des Energieaufwands der Kommissionierung.

Die automatisierte Steuerung von Fördertechnik oder temperaturgeführten Bereichen lässt sich über SAP EWM regeln – abhängig von Nutzung, Zeitfenstern oder Prozessauslastung. SAP Cloud WM geht hier noch einen Schritt weiter: Die cloudbasierte Architektur erlaubt eine feinere Skalierung und damit eine passgenaue Ressourcennutzung.

Auch Verpackungs- und Retourenmanagement werden systemisch optimiert, was einen zusätzlichen Beitrag zur effizienten Ressourcennutzung und folglich CO₂-Reduktion liefert. Ein zentraler Aspekt nachhaltiger Lagerlogistik liegt in der systemischen Erfassung und Bewertung von Ressourcenverbräuchen, ein Bereich, der zunehmend regulatorisch in den Fokus rückt. So verpflichtet die EU-Unternehmensrichtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) dazu, auch die Ressourcenabflüsse eines Unternehmens offenzulegen. Maßnahmen, wie das Reduzieren von Verpackungsabfällen und das Wiederverwenden von Materialien, leisten einen messbaren Beitrag zur Verbesserung der ESG-Kennzahlen.

Im Lager lassen sich relevante Daten generieren, etwa über die Verweildauer einzelner Produkte oder Chargen. Diese Kennzahl ermöglicht es, den standortspezifischen CO₂-Fußabdruck anteilig auf Produkte oder Produktgruppen zu verrechnen – ein entscheidender Schritt für die innerbetriebliche Allokation von Emissionen.

Cloud-Infrastruktur als Enabler nachhaltiger IT

Nachhaltigkeit endet nicht beim Lagerlayout. Ebenso die darunterliegende IT-Infrastruktur steht zunehmend auf dem ESG-Prüfstand. SAP Cloudlösungen eröffnen Unternehmen die Möglichkeit, sich von lokal betriebenen Rechenzentren zu lösen und stattdessen auf skalierbare, energieeffiziente Cloud-Infrastrukturen zu setzen. Abhängig von den spezifischen Anforderungen kann SAP S/4HANA als Public- oder Private-Cloud Lösung implementiert werden. Neben der ökologischen Dimension bietet dieser Schritt wirtschaftliche Vorteile: Flexible Nutzung, reduzierte Hardwarebedarfe und kürzere Innovationszyklen schaffen eine moderne IT-Basis, die ESG-Vorgaben langfristig besser unterstützen kann – nicht zuletzt durch Anbindungen an zentrale ESG-Reporting-Systeme oder SAP Sustainability Control Tower.

Herausforderungen und Voraussetzungen

So groß die Potenziale sind, so klar ist auch: Nachhaltigkeit im Lager gelingt nicht allein durch Technologie. Es bedarf eines integrierten Ansatzes, der Prozesse, Datenqualität, Organisation und Kultur umfasst. Eine durchdachte Stammdatenpflege, klare Verantwortlichkeiten und ein Bewusstsein für ESG-relevante Lagerkennzahlen sind essenziell. SAP EWM und SAP Cloud WM bieten dafür die Werkzeuge – ihre Wirksamkeit entfalten sie jedoch nur im Zusammenspiel mit einem ganzheitlichen ESG-Ansatz. Unternehmen, die diesen Weg gehen, stärken nicht nur ihre Umweltbilanz, sondern auch ihre Resilienz gegenüber regulatorischen und marktwirtschaftlichen Veränderungen.

Die ESG-Anforderungen wirken wie ein Katalysator für die digitale Transformation in der Intralogistik. Lagerprozesse, lange Zeit unter rein operativen Gesichtspunkten betrachtet, müssen neu gedacht werden – als Beitrag zur Nachhaltigkeit, als Datenquelle für Reportingpflichten, als Plattform für unternehmerische Verantwortung. SAP EWM und SAP Cloud WM liefern hierfür leistungsfähige Instrumente. Es gilt, diese gezielt einzusetzen, um ökologische Ziele und wirtschaftliche Effizienz in Einklang zu bringen. Denn Nachhaltigkeit im Lager ist kein Zukunftsthema mehr – sie ist operative Realität.

Die Autoren, Matthias Kraus und und Björn Ingwersen sind Consulting Director EWM bzw. Senior Consultant SAP Logistics) bei Leogistics.