Transport : Das Ungleichgewicht am Transportmarkt: Eine Rück- und Vorausschau

transport, lkw
© assetseller - stock.adobe.com

Der heimische Gütertransport legte nach einem Rückgang im Corona-Jahr 2020 im letzten Jahr wieder zu - und dann gleich mit einer Rekordmenge von über 600 Millionen Tonnen. Das entspricht einer Steigerung um 1,9 Prozent zum Vor-Corona-Niveau 2019 und um 10,4 Prozent über jenem von 2020.

Hier wurden mit 3,1 Prozent bzw. 384,3 Mio. Tonnen vor allem Güter im Inland bewegt. Diese wurden vor allem von österreichischen Fahrzeuge transportiert, während grenzüberschreitende Transporte und der Transitverkehr vor allem von ausländischen Fahrzeugen erbracht werden. Über die Grenze ins Ausland wurden 65,4 Mio. Tonnen, das sind um 17,1 Prozent mehr als 2020, transportiert, der grenzüberschreitenden Empfang verbuchte einen Zuwachs von 14,1 Prozent auf 74,1 Mio. Tonnen. Die Menge der transportierten Güter im Transitverkehr erhöhte sich um 15,8 Prozent auf 85,7 Mio. Tonnen.

>> Sehen Sie hier die stärksten Logistiker Österreichs <<

Österreichische Fahrzeuge transportierten 398 Mio. Tonnen und damit um 7,8 Prozent mehr als im Jahr davor. Das Transportaufkommen von im Ausland registrierten Fahrzeugen legte um 15,7 Prozent auf 211,4 Mio. Tonnen zu. Die Transportleistung im Inland, also das Produkt aus Transportaufkommen und der zurückgelegten Wegstrecke in Kilometern, nahm 2021 um 8,3 Prozent auf 56,8 Mrd. Tonnenkilometer zu.

© Timocom

Massives Ungleichgewicht auf dem europäischen Transportmarkt

Auch in Europa steigt das Transportaufkommen. So registrierte etwa das Timocom Transportbarometer insgesamt 41,9 Mio. Frachteingaben im 3. Quartal 2022, was einem Plus von zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahrszeitraum entspricht.

Dabei zeigen die Zahlen auch, dass es vor allem im ersten Halbjahr 2022 einen großen Überhang an Frachtangeboten in Europa gab, der allerdings im 3. Quartal 2022 langsam zurück geht. Zwar lag das Verhältnis von angebotener Fracht zu angebotenem Laderaum noch immer über der Marke von 70:30, allerdings gleicht sich die Kurve an das Niveau von 2021 an.

„Die deutlichen Frachtüberhänge des 2. Quartals lassen sich im 3. Quartal nicht ausmachen“, sagt Gunnar Gburek, Head of Business Affairs bei Timocom. „Stattdessen stellte sich eine saisonal bedingte Abkühlung des Transportmarktes ein, wie wir sie in den Sommermonaten üblicherweise beobachten.“

Dieser Abschwung ist 2022 sogar besonders ausgeprägt. Europaweit wurden im 3. Quartal 28 Prozent weniger Frachten in die Timocom Frachtenbörse eingestellt als im 2. Quartal. Gründe dafür sind etwa die Störung der internationalen Lieferketten als wirtschaftliche Spätfolge der Coronapandemie sowie der Krieg in der Ukraine. Als direkte Folge sind die Preise für Treibstoffe und Fahrzeuge massiv angestiegen und durch die hohe Inflation haben die Nachfrage ab- und die Lagerbestände zugenommen.

Laderaumknappheit – ein europäisches Phänomen

Die größte langfristige Herausforderung für den Transportmarkt ist zweifelsohne der Fahrermangel. Die Auswirkungen lassen sich unmittelbar an den Eingaben von LKW-Kapazitäten in die Timocom Fracht- und Laderaumbörse ablesen: Europaweit verharrten die Laderaumangebote 2022 auf dem Niveau des Vorjahres.

„Schaut man allerdings genauer hin, zeigt sich Besorgniserregendes“, sagt Gunnar Gburek. „In Deutschland ist der Trend eindeutig: Es wird viel weniger Laderaum angeboten als noch in den Jahren zuvor.“ Im Schnitt wurden in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres 24 Prozent weniger Kapazitäten in die Timocom Frachtenbörse eingestellt als im Vorjahr. Und auch aus den Frachtführer-Ländern Polen, Ungarn und Rumänien kommen immer weniger Kapazitäten.

Seit Jahresbeginn stellten Unternehmen aus diesen drei Ländern im Schnitt acht Prozent weniger Laderaum auf den Timocom Marktplatz als im Vergleichszeitraum 2021. Ein Grund dafür ist neben den stark steigenden Kosten der Personalmangel. „Wer denkt, es werden schon qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland nachkommen, der irrt sich“, sagt Gunnar Gburek und appelliert: „Die Marktteilnehmer müssen dringend reagieren und Ineffizienzen wie Leerfahrten und Wartezeiten an Be- und Entladestellen abbauen.“

Frachtangebote von osteuropäischen Ländern im 3. Quartal 2022
© Timocom

Polen und Litauen – Hoffnung auf neuen Laderaum?

Die Knappheit an Laderaum wird angesichts der bisherigen Zahlen und dem bevorstehenden Weihnachtsgeschäft noch zunehmen. Im kommenden Quartal rechnet Gburek europaweit mit weiter knappen Kapazitäten und steigenden Transportkosten. Ausnahmen könnten Litauen und Polen sein: Hier steigt das Laderaumangebot bzw. die Anzahl großer LKW. „Viele polnische Transportunternehmen haben bisher auf Transporter mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen gesetzt“, erklärt Denis Pasala, Director am Standort Polen. „Doch mit dem Mobilitätspaket und der Änderung der Güterkraftverkehrsgenehmigung, Stichwort EU-Lizenz, wird das zunehmend unattraktiv und viele steigen jetzt auf größere LKW um.“ Der Polnische Automobilverband PZPM registrierte im 3. Quartal 2022 deutlich mehr LKW-Neuanmeldungen, im August waren es 34 Prozent mehr als im Vorjahr, im September immerhin 17 Prozent. Die Registrierung von Fahrzeugen bis zu 3,5t nahm dagegen ab.

Paradoxerweise hat die extreme Disbalance zwischen Kapazitätsgesuchen und -angeboten in Zusammenhang mit den massiven Preisanstiegen für Personal, Fahrzeuge und Treibstoff zu einer neuen Stärke im Straßengüterverkehr geführt. Wurde in den zurückliegenden Pandemiejahren noch das fehlende Miteinander bemängelt, hat das Ausnahmejahr 2022 die Beteiligten am Straßengütertransport zum Umdenken gebracht.

Zur Einordnung: Ob Diesel, LNG oder AdBlue, die Energiekosten sind seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine so stark gestiegen, dass einige Fuhrparkbetreiber bereits Fahrzeuge stillgelegt haben. Vor allem LNG-LKW wurden aufgrund des hohen Gaspreises aus dem Verkehr gezogen und stehen dem Transportmarkt derzeit nicht mehr zur Verfügung. Angesichts des Fahrermangels ist völlig unklar, ob und wann diese Kapazitäten dem Markt wieder zugeführt werden.

Die Reaktionen der Auftraggeber auf die für viele Transportdienstleister bedrohliche Wirtschaftslage kam prompt: Viele ließen sich auf kurzfristige Preisanpassungen ein und vereinbarten neben Diesel- auch Energiefloater mit ihren Dienstleistern. Die ungestillte Nachfrage nach Laderaum gab den Transporteuren den nötigen Spielraum, um ihre rasant steigenden Transportkosten kurzfristiger als sonst an ihre Auftraggeber weiterzureichen.