Wasserstoff-Infrastruktur in Österreich : Kritik an österreichischer Wasserstoff-Strategie
„Die nächste Bundesregierung muss, will sie sich den Klimazielen annähern, endlich das Thema Wasserstoff-Infrastruktur angehen", fordert Alexander Friesz, Präsident des Zentralverbands Spedition und Logistik. "Brennstoffzellenantriebe haben für den Schwerverkehr auf der Langstrecke viel Potenzial. Kurze Tankzeiten, wenig Gewicht und lange Reichweiten bieten gute Voraussetzungen. Als ersten wichtigen Schritt bedarf es, vergleichbar mit dem Stromnetz, eines Wasserstoffkernnetzes, um darauf eine Basisladeinfrastruktur aufzubauen", so Friesz in einer Aussendung.
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Während Länder wie Deutschland bereits mit der Umsetzung eines bundesweiten H2-Netzes begonnen haben und Playern in Entwicklung, Herstellung, Industrie, Logistik und Energieversorgung einen Planungsrahmen bieten, gäbe es in Österreich bisher nur Lippenbekenntnisse. Deutschland will mit knapp 10.000 Leitungskilometern – davon 60 % bestehende Gasleitungen – und einer voraussichtlichen Investitionssumme von knapp 20 Milliarden Euro - das Netz bis 2032 fertig stellen, 2025 sollen die ersten Leitungen in Betrieb gehen.
Das erlaube auch Nutzfahrzeugherstellern wie Daimler Truck in den kommenden Monaten den Testbetrieb von H2-LKWs im täglichen Logistikeinsatz von Unternehmen zu starten. Auch in Österreich gäbe es von Seiten der Technologieentwickler, Leitungs- und Speicheranbieter, Logistikunternehmen, wasserstoffproduzierenden Industrie und der Energiewirtschaft großes Interesse und eine Reihe an Aktivitäten, um Wasserstoff als Alternative zu fossiler Energie zu produzieren und einzusetzen, so Friesz.
Umsetzung der österreichischen Wasserstoffstrategie
2022 wurde vom Verkehrsministerium und dem Wirtschaftsministerium eine österreichische Wasserstoffstrategie präsentiert, die zur Klimaneutralität 2040 beitragen soll. Seither ist jedoch wenig geschehen. Der darin festgeschriebene Aufbau einer Infrastruktur für den Transport von Wasserstoff sowie die geplante Zusammenarbeit Österreichs mit potenziellen Handelspartnern für Wasserstoff sind am Ende der Legislaturperiode ungeklärt. „Noch immer gibt es nur fünf Wasserstofftankstellen in ganz Österreich und auch die Produktion und Verfügbarkeit kommen nicht vom Fleck. Ein Kernnetz wie in Deutschland muss dringend in Umsetzung gelangen“, so Friesz. „Die Erarbeitung einer integrierten Strategie, einschließlich Technologieförderung, Bau und Finanzierung der Pipeline- und Tankinfrastruktur, intelligente Fördersysteme und ein Konzept für die Versorgung von Industrie und allen Verkehrsträgern mit Alternativenergien, sind jedenfalls wichtige Aufgaben der nächsten Bundesregierung bei der Dekarbonisierung des Güterverkehrs.“
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Darüber hinaus gelte es, neben dem Elektromotor, der im Schwerverkehr auf der Langstrecke noch viele Nachteile hätte, auch sofort einsetzbare und CO2-reduzierende Technologien wie HVO und neben dem Wasserstoff auch e-Fuels zu fördern, um dem Ziel der Klimaneutralität zumindest näherkommen zu können. „Im Schwerverkehr und auf langen Streckentransporten wird es auf Sicht einen Mix aus verschiedenen Technologien benötigen. Der Logistiker wird für den jeweiligen Fall die beste Lösung wählen. Die Politik muss das durch passende Rahmenbedingungen und Infrastruktur ermöglichen“, so Friesz.
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EU-Rechnungshof: EU-Ziel für Wasserstoff "zu ehrgeizig"
Währenddessen kritisiert der EU-Rechnungshof (ERH) die für 2030 von der EU-Kommission angepeilten Ziele für die Erzeugung und Nutzung von erneuerbarem Wasserstoff als "zu ehrgeizig": Laut ERH drohen ein "Verlust von Wettbewerbsfähigkeit in Schlüsselindustrien und neue strategische Abhängigkeiten". Die Prüfer fordern, die EU-Ziele einem Realitätscheck zu unterziehen. Auch von Österreich werden Anstrengungen gefordert.
"Die EU sollte über den strategischen Weg zur CO2-Neutralität entscheiden, ohne die Wettbewerbssituation ihrer Schlüsselindustrien zu beeinträchtigen oder neue strategische Abhängigkeiten zu schaffen", so Stef Blok, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Rechnungshofs, in einer Aussendung. Die "ehrgeizigen Ziele für Erzeugung und Import von erneuerbarem Wasserstoff, jeweils 10 Millionen Tonnen bis 2030", hätten nicht auf einer "soliden Analyse beruht, sondern seien von politischem Willen geleitet" worden.
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Die meisten EU-Rechtsakte sind laut Bericht zu rasch vorgelegt worden. Der Aufbau einer EU-Wasserstoffindustrie erfordere massive öffentliche und private Investitionen, aber die Kommission habe keinen vollständigen Überblick über den Bedarf oder die verfügbaren Mittel. Gleichzeitig seien die EU-Fördermittel - die von den Prüfern für den Zeitraum 2021-2027 auf 18,8 Mrd. Euro geschätzt werden - über mehrere Programme verstreut, was den Unternehmen die Beantragung erschwere.
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18 Mitgliedstaaten verfügen laut ERH-Bericht über Wasserstoffstrategien. Darunter ist auch Österreich. Österreichische Unternehmen sind - im Rahmen des Corona-Aufbaufonds - auch an zwei "wichtigen Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse" im Bereich Wasserstoff beteiligt: Diese umfassen 41 bzw. 35 Projekte aus zahlreichen Mitgliedstaaten und Beihilfen von insgesamt über zehn Mrd. Euro. Wie für die EU-Ebene gilt laut Bericht aber auch für Österreich: Erhebliche Anstrengungen seien erforderlich, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Erneuerbarer Wasserstoff könne dabei eine wichtige Rolle dabei spielen. "Die Umsetzung der Empfehlungen des ERH kann dabei helfen, einen Schritt weiter auf diesem ambitionierten Weg zu kommen", betonte das österreichische Mitglied des EU-Rechnungshofes, Helga Berger.
Die Prüfer fordern die Kommission auf, ihre Wasserstoffstrategie zu aktualisieren und dabei drei zentrale Fragen zu berücksichtigen: Wie können präzise Marktanreize für die Erzeugung und Nutzung von erneuerbarem und CO2-armem Wasserstoff geschaffen werden? Welche Schwerpunkte soll es für die EU-Mittel geben? Und welche Industriezweige sollen in der EU gehalten werden und zu welchem Preis?
Bisher machen Zero Emission Vehicles (Elektrik und wasserstoffbetriebene Fahrzeuge) in Österreich vier Prozent aller neu registrierten leichten Nutzfahrzeuge aus, während der EU-weite Anteil bei 2,8 Prozent liegt.