Trends in der Logistik : TMH-Manager Hans Larsson: „Künstliche Intelligenz brodelt in allen Bereichen“

Hans Larsson bei der Präsentation des Trend Reports auf der Logimat 2024
© Toyota Material Handling

Sie und Ihr Team haben vor einigen Jahren ein Instrument zur Ermittlung von Trends entwickelt. Welche Trends hatten in den letzten drei bis fünf Jahren den größten Einfluss?
Hans Larsson
Wir befinden uns in vielen Bereichen mitten im Wandel, und dabei spielt die Automatisierung eine große Rolle. Viele große Unternehmen haben damit zu kämpfen. Sie ist komplex, hat große Vorteile, ist aber auch mit großen Investitionen verbunden. Wir sehen auch, dass die Themen E-Commerce und Omnichannel für viele Akteure mühsam sind. Sie können Hunderte Geschäfte haben und sind extrem professionell darin, aber dann verlangen wir Verbraucher, dass wir das Sortiment auch im Internet bestellen können – und zwar genauso einfach wie bei den großen E-Commerce-Profis wie Amazon. Diese zwei Kanäle zu bedienen, ist für viele Kunden eine große Herausforderung – auch im Hinblick auf die Geschwindigkeit. Wir erwarten heute, dass wir sogar am selben Tag beliefert werden. Die Flexibilität, die Geschwindigkeit – und auch das Thema Rücklaufquoten sind Herausforderungen. Viele Unternehmen haben Rücklaufquoten von mehr als 50 Prozent zu verzeichnen. Ich habe kürzlich in einer amerikanischen Studie gelesen, dass die Verschrottungsquote bei fast 20 Prozent lag. Der Ertrag fließt direkt in die Verschrottung ein. Und das ist der dritte Punkt: Nachhaltigkeit. Vielleicht hat sich die Logistik dahingehend noch nicht so sehr verändert, aber sie ist jetzt definitiv im Kommen. So können wir nicht mehr arbeiten. Wir wurden bisher an Preis und Geschwindigkeit gemessen. Das muss sich ändern. Wir müssen uns auch an Nachhaltigkeitskriterien messen lassen.

Was sind die Trends der nächsten Jahre – neben dem Thema Nachhaltigkeit?

Wir sehen viele Dinge, aber vor allem ist das Thema Künstliche Intelligenz ein großes. Es brodelt in allen Bereichen. Ich glaube nicht, dass wir einen großen Knall erleben werden, der alles verändert, aber wir werden sehen, wie sie sich in alle möglichen Bereiche einschleicht. Wir zeigen auf dem Stand (auf der Logimat, Anm.) ein Gerät mit sehr intelligenten Kameras, die die Umgebung erkennen können. Das ist eine große Sache. Die Automatisierung entwickelt sich stetig weiter, etwa mit der Vernetzung nicht nur von Gabelstaplern, sondern auch von Waren, Paletten und so weiter, um mehr Daten zu erhalten und Künstliche Intelligenz zur Optimierung der Lieferkette einzusetzen.

Wie identifizieren Sie die Trends?
Wir haben große Ohren (lacht). Wir führen viele Interviews und stellen unseren Kunden offene Fragen. Damit erhalten wir eine Liste von Problemen, die wir nach Prioritäten ordnen. Wir arbeiten auch mit Instituten wie Fraunhofer in Deutschland zusammen, um auch eine wissenschaftliche Sichtweise zu erhalten, und beziehen auch andere Quellen, etwa Marktberichte und andere, mit ein.

Was sind, abgesehen von den Trends, aktuell die schwierigsten Herausforderungen für Unternehmen?

Ich denke, dass viele Unternehmen noch immer unter dem Eindruck der COVID-Pandemie und des Sturms stehen, der durch die Störung der globalen Warenströme ausgelöst wurde. Es gibt immer noch viele Störungen in der Lieferkette und ich glaube, dass viele Unternehmen immer noch damit beschäftigt sind, die Dinge in Ordnung zu bringen. Überhaupt sorgen all die Konflikte in der Welt und die Lieferengpässe für große Unruhe. Eine zweite Herausforderung betrifft den Arbeitskräftemangel – es gibt Studien, die etwa 100.000 fehlende LKW-Fahrer in Großbritannien orten. Außerdem wollen Unternehmen anspruchsvollere Lösungen und mehr digitale Kompetenz – global sind sozusagen alle Unternehmen auf der Suche nach denselben Fähigkeiten. Künstliche Intelligenz und Automatisierung sind wichtige Technologien, um diesen Herausforderungen zu begegnen.

Was ist für Ihre Arbeit als Direktor für strategische Innovation im Moment das wichtigste Thema?

Wir sind ein großes Unternehmen, sozusagen ein Frachtschiff und kein wendiges Speedboot. Wir können eine Menge Waren transportieren und sind enorm gut darin, Dinge in Massenproduktion in hoher Qualität herzustellen. Aber bei der Innovation geht es auch darum, eine Gelegenheit zu ergreifen, gute Ideen zu finden und umzusetzen. Und das geht nicht immer Hand in Hand mitder Beweglichkeit eines Frachtschiffes. Wir arbeiten viel mit Start-ups zusammen, und diese Arbeit muss sich in eine große Organisation wie die unsere einfügen, damit wir kurzfristig manövrieren können, ohne den Geschäftsgang zu stören. Es ist nicht unbedingt eine Herausforderung, aber es ist sozusagen eine tägliche Reibung.

Finden Sie genügend innovative Köpfe für Ihr Team?
Ja. Das ist ein Bereich, der viele interessiert. Wir sind eigentlich zwei Teams, die im Bereich Innovation arbeiten. In meinem Team arbeiten eher auf strategischer Ebene, daher ist unser Team eher klein gehalten.

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Das sind die wichtigsten Themen des aktuellen Trend Reports

Toyota Material Handling will mit seinem aktuellen Trend-Radar einen Überblick über wichtige Planungsthemen für den Logistiksektor der kommenden Jahre bieten - einerseits, um bei Investitionen in zukünftige Möglichkeiten und Technologien stets auf dem neuesten Stand zu sein und allfällige Bedrohungen und Chancen im Geschäftsumfeld vorherzusehen, und andererseits, um Kunden fundiert beraten zu können.

Dabei hat das Unternehmen sechs Schlüsselbereiche mit wichtigen Entwicklungen definiert, auf die diverse gesetzte Maßnahmen einen entscheidenden Einfluss haben werden:

Das Geschäftsumfeld

Die Folgen der Pandemie, der Krieg in der Ukraine und eine hohe Inflation bedeuten eine Verlangsamung für die europäische Wirtschaft. Das dürfte auch die Aktivitäten am Logistiksektor bremsen. Es ist nicht zu erwarten, dass sich diese Situation bald ändern wird. Es wird erwartet, dass die Arbeitslosenquote steigt, jedoch unter kontrollierten Bedingungen.

Menschen und Soziales

Der Arbeitsmarkt unterliegt gleich mehreren Verschiebungen. Ein akuter Arbeitskräftemangel in vielen Bereichen beschleunigt die Automatisierung und treibt weiters die Suche nach immer neuen technischen Lösungen voran. Folglich verändert sich die Anforderung an die Arbeitskräfte hinsichtlich des technischen Verständnisses und digitaler Fähigkeiten. Dagegen sind Arbeitgeber gezwungen, flexible Arbeitsmodelle zu entwickeln, die für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit von grundlegender Bedeutung sind.

Nachhaltigkeit und Umwelt

Das ist ein Schlüsselbereich für alle Geschäftsfelder. Der Umbruch zur sogenannten grünen Wirtschaft, der durch den Green Deal der EU vorangetrieben wird, steuert Investments in diese Richtung.

Nachhaltige Logistik

Die Nachfrage nach nachhaltiger Logistik treibt die Entstehung neuer Lösungen in vielen Bereichen voran, etwa bei der Elektrifizierung des Verkehrs, Maßnahmen zur Abfallreduzierung und Projekten für sichere Arbeitsplätze. Unter Umweltgesichtspunkten wird der Logistiksektor in Zukunft mit einigen echten Herausforderungen konfrontiert sein, da der Green Deal der EU-Ziele zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen festlegt.

Verbraucher und E-Commerce

Die Lieferkette und die Logistik im Allgemeinen durchlaufen derzeit zahlreiche umfassende Veränderungen, die durch das veränderte Verbraucherverhalten angetrieben werden. Das Verbraucherverhalten verändert sich, da jüngere Bevölkerungsgruppen digitale Reife zeigen, welche die Expansion des E-Commerce in allen Aspekten fördert und folglich ein qualitativ hochwertiges Online-Erlebnis verlangen. Deshalb stehen traditionelle Unternehmen vor erheblichen Herausforderungen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, da sie zwei getrennte Kanäle betreiben – stationäre Geschäfte und Online-Shops.

Technologie

Die extrem schnelle Entwicklung der verschiedenen Technologien bringt neue Lösungen für die Logistik mit sich und hilft, viele Herausforderungen zu meistern. Die Automatisierung entwickelt sich rasant weiter, sowohl im stationären als auch im mobilen Bereich. Beide werden weltweit implementiert, werden jedoch immer noch durch bestimmte technische Komplexitäten behindert. Der Bereich „Künstliche Intelligenz“ bietet bessere Prognosetools, Vision-Technologie, Chatbots und mehr. Darüber hinaus verbindet das Internet der Dinge (loT) Dateninseln und verwandelt sie in miteinander verbundene und optimierte Prozesse, die die Effizienz steigern und die Kosten senken.