Waku-Gründer Victor Splittgerber über Automatisierung in der Logistik : „Wir sind mit der mobilen Robotik noch ganz am Anfang“
Victor, aus deiner Sicht: Wie ist der Stand der Entwicklungen in der mobilen Robotik?
Victor Splittgerber Man würde denken, wenn man sich etwa eine Messe wie die Logimat ansieht, dass die Robotik viel weiter ist, als es tatsächlich Realität ist. Wenn man in ein zufällig gewähltes Lager geht, findet man wenig bis keine Robotik, da fahren Gabelstapler oder Förderbänder. Das zeigt, dass wir wirklich ganz am Anfang sind. Irgendwann verkauft man einen Gabelstapler gar nicht mehr ohne das Feature, dass er autonom fährt – weil er es kann. Das wird zu einem Basisfaktor. So wie ein Abstandstempomat im Auto mittlerweile ein Basisfeature ist.
Sind vor allem europäische Lager eher weniger automatisiert? Oder hängt der Grad der Automatisierung eher von der Branche oder der Unternehmensgröße ab? Kann man hier Gemeinsamkeiten finden?
Was wir wahrnehmen ist, dass eher der Unterschied zwischen den verschiedenen Unternehmen sehr groß ist, und es nicht auf die Region oder die Unternehmensgröße ankommt. Ich kann noch kein Muster erkennen, außer der Unternehmenskultur. Es gibt Unternehmen, die eher konservativ sind und sehr lange beobachten. Und es gibt Unternehmen, die sich jetzt schon darüber Gedanken machen, wie sie unterschiedliche Roboter managen können oder sich fragen, welcher Roboter wie viel genutzt wird. Da gibt es natürlich eine Lernkurve, und wir holen mit der Beratung Unternehmen sehr früh ab und begleiten sie bei der Einführung. Mit unserer Softwareplattform arbeiten wir in der Regel mit Unternehmen, die eben schon weiter sind, teilweise Tausende von Robotern im Einsatz haben und sich über Optimierung Gedanken machen. Man macht sich keine Gedanken darüber, wie man beim Service der mobilen Roboter sparen kann, wenn man gerade dabei ist, die ersten zehn Geräte einzuführen. Es wird aber immer schwieriger aufzuholen – beziehungsweise immer teurer – weil man sich die Lernkurve erkaufen muss. Der Kulturwandel, der mit der Automatisierung einhergeht, braucht Zeit – und der wird bei einigen Unternehmen schon verschlafen.
Das ist wohl auch ein wichtiger Punkt: Es ist ein Kulturwandel und nicht die bloße Einführung von Technologie. Das heißt es braucht vermutlich auch Zeit, die Mitarbeiter auf diese Änderungen vorzubereiten.
Genau. Es ist wichtig, Akzeptanz für die neuen Technologien zu schaffen, um die Kompetenz im Unternehmen aufzubauen. Es gibt immer Leute, die begeistert auf so ein Thema aufspringen, aber auch die müssen ausgebildet oder an das Thema herangeführt werden. Und natürlich gibt es Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die das eher ablehnen. Da hilft es, Schritt für Schritt vorzugehen. Deswegen gibt es eine gewisse Geschwindigkeit, die man nicht überschreiten sollte. Wenn die Veränderungen zu schnell gehen, wird der gesamte Prozess abgelehnt, und dann funktionieren die Projekte nicht.
Welche Probleme kann die Automatisierung in der Logistik mittlerweile lösen, wo ist es schwieriger?
Einige Prozessschritte sind sehr gut automatisierbar, andere total schwierig und noch nicht gelöst. Die Laufwege, die ein Kommissionier-Mitarbeiter macht, kann man problemlos automatisieren. Was viel schwieriger ist, ist der Griff in die Kiste. Da den richtigen Artikel zu greifen, zu finden, mit einer Bandbreite an Artikeln. Das ist aber etwas, das auch immer besser funktioniert. Oder wenn man zum Beispiel Paletten in zwölf Metern Höhe in einen Regalplatz stellen muss ist die Frage, wie viel Platz man links und rechts hat. Da kommt es von Fall zu Fall darauf an was eben funktioniert und was nicht - beziehungsweise was sich lohnt oder nicht.
Beratung ist also ein wichtiger Teil eurer Arbeit – also auch zu fragen: Lohnt sich das?
Genau. Wir beraten viele Unternehmen auf einer strategischen Ebene zu Automatisierung. Wir schauen über unterschiedliche Standorte hinweg alle Anwendungen an, die man automatisieren könnte. Dann ergeben sich in der Regel zwei, drei Prozesse, die am einfachsten über verschiedene Standorte zu implementieren sind, denn dann hat man einen schnellen Return on Investment. Außerdem möchte man die Komplexität zu Beginn nicht so extrem hoch halten, sondern erstmal mit den einfachen Dingen anfangen.
Ich nehme an, vor allem der Arbeitskräftemangel spielt der technologischen Entwicklung genau in die Hände.
Total, ja. Und auch da sind wir gerade erst am Anfang. Gabelstaplerfahrer zu finden oder überhaupt Lagermitarbeiter oder -mitarbeiterinnen, ist sehr schwer. Das bedeutet einen Acht-Stunden-Arbeitstag in einem relativ dunklen Lager, an dem man monoton eine Palette nach der anderen bewegt. Ich denke das sind Aufgaben, die in ein paar Jahren keine Menschen mehr machen werden.
Inwiefern hat sich deine ursprüngliche Idee von Waku Robotics weiterentwickelt?
Wir agieren in einem Markt, der stark im Wandel ist, und bei dem auch viele Vorhersagen gar nicht so eingetroffen sind. Etwa beim Thema Mixed Fleets oder Interoperability sind Marktstudien davon ausgegangen, dass die Adaption von mobilen Robotern in vielen Unternehmen schneller geht. Durch die Wirtschaftskrise und Covid wurden aber viele der Projekte aufgeschoben. In anderen Bereichen wie der Lagerautomatisierung war die Nachfrage durch Covid extrem hoch. Es ist ein Markt, der im Wandel ist, und auch einer, in dem so viele Herausforderungen bestehen. Es gibt auf der einen Seite die Unternehmen, die gerne automatisieren möchten, weil sie keine Mitarbeitenden finden. Und es gibt die Anbieter mit ihren Lösungen. Die Realität aber ist, dass sehr wenige Unternehmen Automatisierung einsetzen. Das heißt, es gibt eine relativ große Lücke, und wir wollen Produkte anbieten, um sie zu schließen. So ist Lots of Bots für viele Unternehmen die erste Anlaufstelle, um sich einen Überblick über mobile Roboter, Hersteller und Serviceanbieter zu verschaffen. Im Bereich Wartungen und Reparaturen setzen OEMs und Serviceanbieter auf unsere Software WAKU Care, um eine effiziente Steuerung dieser Prozesse beim Endkunden zu gewährleisten. Und da wird es sicherlich auch in Zukunft weitere Dinge geben, die erforderlich sind, weil sich der Markt weiterentwickelt.
Wie hat sich euer Team entwickelt?
Wir sind jetzt 15 Leute, die meisten sind in der Softwareentwicklung. Das ist auch unsere Zukunft; Software ist unser Kernprodukt und der Bereich, der aktuell am stärksten wächst – allein im letzten Jahr um das Fünffache. Und da sind wir gerade am Anfang. Wir arbeiten etwa auch mit Unternehmen wie Advanced Robotics oder Körber, die unsere Software nutzen.
Ich nehme an, die Themen Service und Wartung werden in Zukunft immer wichtiger – neben Kosteneinsparungen geht es hier vor allem um Energieeffizienz und Nachhaltigkeit, oder?
Genau. Das ist ein sehr spannendes Thema. Es macht natürlich einen Unterschied, ob ich eine Flotte von 100 Geräten jede Woche oder jeden Monat warte – auch abhängig davon, ob ich sie vier Stunden oder 24 Stunden am Tag nutze. Ich habe bei der Wartung jedes Mal Anfahrtskosten, Anfahrtsenergie, aber noch viel mehr habe ich Ersatzteile, die ausgetauscht werden. Viele warten ihre Geräte aber nach einer gewissen Dauer. Man kann aber sehr viel CO2 einsparen, wenn das Wartungsmanagement nutzungsbasiert geschieht. Die Option ‚Wartung pro Kilometer“ gibt es bei Robotik nicht - mit unserer Lösung aber schon. Denn wir stellen die Daten zur Verfügung, wir wissen, wie viel die Roboter genutzt wurden. Ein anderes Beispiel ist die Auslastung von Robotern an mehreren Standorten. Ich habe keinen Überblick darüber, welche Roboter wo und wie intensiv genutzt werden. Wenn ich jetzt aber wüsste, zwei Roboter der Flotte werden am Standort A nicht genutzt, könnte ich sie am Standort B einsetzen, für den ich gerade zwei weitere Geräte anschaffen wollte. Damit habe ich natürlich einen hohen Effizienzgewinn und kann mir Tausende Euro einsparen. Es geht also vorwiegend um Transparenz. Roboter geben Daten preis, und diese Datenintelligenz zu hebeln ist das, was unsere Software macht.