Transport : „Die Verfügbarkeit von Arbeitskräften sollte nicht wettbewerbsentscheidend sein“
Die Transportbranche kommt nicht zur Ruhe: Arbeitskräftemangel, die Ukraine-Krise und die hohen Energiepreise. Welche Themen sind für Sie als WKO-Obmann außerdem wichtig?
Alexander Klacska Das sind im Wesentlichen die Themen, die uns beschäftigen. Dazu kommen aber noch alle Pakete, die jetzt noch auf uns zukommen: Etwa Fitfor55, das aus Brüssel kommt, wo mit der Energiebepreisungsrichtlinie, dem Vorläufer der CO2-Bepreisung, das Thema Energiepreise im Prinzip noch einmal verschärft wird. Was uns auch Sorge macht ist das Thema Maut-Differenzierung. Und es ist absehbar, dass es beim Thema fossile Energieträger, auf die wir noch in vielen Bereichen angewiesen sind, weiterhin eine massive Verteuerung geben wird. Wir sind auf der einen Seite zwar froh, dass das Thema Treibstoff beim Energiekostenzuschuss bedacht worden ist. Das, was für uns nicht verständlich ist, ist dass man auf der einen Seite den Energiekostenzuschuss bis 30.9. bekommt, mit 1.10 aber alles durch den CO2 Preis teurer wurde – wissend, dass wir schon über der Zehn-Prozent-Inflationsmarke sind. Für uns ist klar: Wir brauchen die Entlastung auch bei den Fossilen. Österreich ist mittlerweile eines der teuersten Treibstoffländer, und wir wissen, dass knapp 70 Prozent der Tonnage, die in Österreich auf der Straße transportiert wird, im Umkreis von 150 Kilometern transportiert wird. Der Transit wird billiger, weil verschiedene andere Länder Kompensationsmaßnahmen machen, in Österreich verteuern wir rein den Regional- und Zustellverkehr.
Wird die letzte Meile nicht schon sehr elektrisch abgedeckt?
Klacska Nein. Bei der IAA hat man in diesem Jahr gesehen wie sich die Hersteller bei den Themen Wasserstoff und Elektromobilität technologisch weiterentwickeln. Wenn wir aber wissen dass in Österreich eben 70 Prozent der Menge unter 150 Kilometer transportiert wird und 50 Prozent der Menge überhaupt nur unter 50 Kilometer, kann ich das Fahrzeug nicht über Nacht zum Aufladen stehen lassen. Das Fahrzeug muss ich zumindest 20, 22 Stunden am Tag bewegen, da wird die elektrische Beladung dementsprechend schwierig. Wenn ich innerhalb eines Zeitfensters von einer Stunde eine Flotte von zig Fahrzeugen betanken bzw. beladen muss, bin ich noch zu weit entfernt von dem was Netze, Stromproduktion etc. hergeben. Wir hatten kürzlich die Gelegenheit, den Entwicklungsvorstand von MAN zu hören. Die haben das Ziel, beim Thema Nutzfahrzeuge sehr stark elektrisch zu werden - aber mit der Nebenbemerkung ‚Schnellladung, aber mit einem Megawatt.‘ Die Leitungen werden also schon relativ üppig ausfallen müssen, um einen LKW mit einem Megawatt laden zu können, um ihn schnell wieder auf die Straße zu bekommen. Wenn ich am Firmengelände 20 Fahrzeuge habe und jedes mit einem Megawatt beladen muss - da fehlt mir die Kreativität wie das machbar sein soll. Wir schauen eher wie man es schafft, die Einsatzbedingungen der Fahrzeuge nicht durch die Antriebsform zu verschlechtern. Da kommen wir langfristig auf das Thema Wasserstoff, wo der Betankungszyklus in fünf bis zehn Minuten abgeschlossen ist. Was wir da auch besser finden ist, dass die Investitionen in die Infrastruktur von der Wirtschaft getragen werden – und nicht über staatlich ausgelagerte Gesellschaften. Das bedingt aber den Import von erneuerbarer Energie. Ich denke dem muss man sich gerade in Österreich stärker öffnen, denn Energieautarkie ist nicht möglich, wenn ich die alternativen Energien für die Spitze auslegen muss. Erneuerbare Energien kann ich in verschiedenen Ecken und Enden in der Welt um vieles günstiger herstellen und auch inklusive der CO2-freien Supply Chain nach Europa, nach Österreich bringen.
Sie machen sich also für wasserstoffbetriebene Transporte stark?
Klacska Aus unserer Sicht eignet sich Elektromobilität für gewisse Einsatzbedingungen, aber wir würden stärker auf das Thema Wasserstoff setzen, weil es auch ein Elektroantrieb mit allen Vorzügen ist – gleichzeitig schauen wir da eben, wo man günstige, erneuerbare Energie nach Europa bringt. Da schielen wir ein bisschen neidisch auf Deutschland, weil wir dort deutlich stärkere Ambitionen erkennen, sich dem Thema stärker zu widmen.
Sie finden die österreichische Wasserstoffstrategie also nicht besonders ausgegoren?
Klacska Es ist besser als nichts, aber es ist ein typisches politisches Papier. Es hat einen Vorläufer dieser Wasserstoffstrategie gegeben, wo auch die Stakeholder intensiver eingebunden waren, gerade auch im Bereich Mobilität und Industrie, die leider nie das Licht der Welt erblickt hat. Dort gab es wirklich sehr konkrete Ansätze und klare Mengenziele. Wir haben schon das Gefühl, dass das Thema Wasserstoff in Sachen Mobilität in Österreich eher zweitrangig gesehen wird.
Betrifft das die Wirtschaft ebenso?
Klacska Unser Problem ist, dass der technologische Entwicklungsstand noch sehr unterschiedlich ist. Elektrisch betriebene Fahrzeuge, die nicht unbedingt koreanisch sind, kann ich am Markt kaufen, beim Thema Wasserstoff bin ich momentan zu 100 Prozent von Hyundai abhängig – und dort bekomme ich auch nicht die Sattelzugmaschine, sondern nur den Solo-LKW. Und leichte Nutzfahrzeuge, bekomme ich momentan nur batterielektrisch betrieben. Dort haben wir aber politisch noch ein anderes Problem: Wenn Kleintransporter elektrisch sind, sind sie schwerer als 3,5 Tonnen und damit kein freies Gewerbe mehr, sondern ein konzessioniertes mit all den teuren Regulativen. Das ist eigentlich der wahre Grund, warum diese Fahrzeuge momentan im Markt nicht ankommen.
Wir schielen ein bisschen neidisch auf Deutschland, weil wir dort deutlich stärkere Ambitionen erkennen, sich dem Thema Wasserstoff stärker zu widmen.
Auch der Arbeitskräftemangel ist gerade in der Transportbranche ein großes Problem. Welche Lösungsansätze sieht die WKO?
Klacska Ja, das ist ein Problem auf sämtlichen Verkehrsträgern. In sehr vielen Wirtschaftsbereichen generell und bei uns im Transport im Speziellen sind viele Jobs in den letzten Jahren durch die europäische Integration des Arbeitsmarktes besetzt worden. In diesen Ländern schrumpft die Bevölkerung aber ebenfalls, dort ist das Thema Arbeitskräftemangel teilweise noch viel eklatanter ist als in Zentraleuropa generell. Wir müssen über die Weiterentwicklung der Rot-Weiss-Rot-Card nachdenken, um aktive Beschäftigungspolitik in Ländern zu machen, wo die Menschen einerseits vom Qualifikationsniveau als auch vom kulturellen Hintergrund gut nach Österreich passen würden. Ungarn hat etwa indische Fahrer ins Land geholt. Da muss man aufpassen, dass man nicht nachhängt, weil in Europa jedes Land sein eigenes Süppchen kocht. Die Verfügbarkeit von Arbeitskräften sollte am Ende des Tages nicht wettbewerbsentscheidend sein.
Welche Möglichkeiten sehen Sie noch?
Klacska Wir wollen bei Zugsführern und LKW-Lenkerinnen und -Lenkern das Alter für die Grundqualifikation senken. Das heißt, den LKW-Führerschein mit 17 Jahren im Zuge einer dualen Ausbildung zu machen - mit 30 Stunden in der Fahrschule und 30.000 km begleitetem Fahren im Unternehmen in einer dualen Ausbildung. Auch für Busfahrer oder Zugsführer wollen wir das Alter um ein Jahr senken. Wir wollen stärker in die Ausbildung der jungen Menschen involviert sein. Das Thema Frauen ist auch ein wichtiges für uns. Da sehen wir das größte Problem, dass diese Branchen nicht die in der Öffentlichkeit am besten angesehensten sind. Dadurch fällt es uns schwer immer wieder aufzuzeigen, wie geregelt und regelmäßig etwa die Arbeitszeiten sind. Einige sind zwar im Fernverkehr unterwegs, aber die meisten fahren im Regionalverkehr, da hat man ein sehr geregeltes Leben, wie bei jedem Bürojob. Die dritte Säule ist Arbeitslose zu qualifizieren. Mittlerweile werden vom AMS auch LKW-Führerscheine gefördert und bezahlt. Also die drei Gruppen – die Jungen, die Frauen und Arbeitslose – stärker miteinzubeziehen sind unsere Ideen, wissentlich, es wird nicht ausreichen. Wir sind im Match mit Industrie, mit Handwerk und Gewerbe, und da sind wir vom Standing her oft die Zweiten. Die Industrie kann etwa einen Betriebskindergarten, eine Kantine oder sonstige Goodies anbieten - das können wir in der Regel nicht. Daher glauben wir, brauchen wir Zuwanderung.
"Man muss aufpassen dass man nicht nachhängt, wenn in Europa jedes Land sein eigenes Süppchen kocht"
Spanien und Dänemark testen Duotrailer, auch Platooning war vor ein paar Jahren ein großes Thema. Wie ist der Stand dazu in Österreich?
Klacska Bei Platooning haben wir die gesetzlichen Voraussetzungen nicht. Platooning bedeutet dass ich mich elektronisch mit dem Vorderfahrenden kopple und damit den Mindestabstand zum Vorderfahrzeug unterschreite. Meines Wissens gibt es Teststrecken in Europa, in den USA fahren glaube ich bereits Platoons. Dass Platooning wirklich zum Erfolg führen könnte, müsste man aus unserer Sicht die Logik auf der Autobahn auf den Kopf stellen. Der Platoon müsste auf der Spur ganz links fahren, dort, wo keine Aus- und Abfahrten sind, um wirklich sinnvoll betrieben werden zu können. Denn sonst müsste der Platoon bei jeder Auf- oder Abfahrt geöffnet werden. In Österreich haben wir relativ viele Auf- und Abfahrten, der Platoon müsste sich immer wieder entkoppeln - oder ich lasse ihn eben ganz links fahren, dann kann er mit niedriger Geschwindigkeit durchrauschen - und da fehlt uns der Glaube, dass das in Österreich umgesetzt werden könnte.
Im Europa-Verkehr wäre es schon interessant. Ein Platoon ist eher planbar, da gibt es eine Trassenführung auf der Autobahn. Es wäre einerseits für die Auslastung der bestehenden Infrastruktur interessant als auch natürlich ökologisch. aber solang wir diese Systematik so haben wie wir sie jetzt haben ist es nicht sinnvoll.
Wie sieht es bei Duo-Trailern aus?
Klacska Die hatten schon verschiedene Namen – unter anderem Eurotrailer. Wir in Österreich haben den Reflex in der Politik, dass der LKW nicht größer, breiter oder höher werden darf, weil das zulasten der Bahn geht. Wir sind stolz dass es uns gelungen ist, dass das höchstzulässige Gesamtgewicht für kranbare Sattelauflieger - auch wenn sie im normalen Straßentarnsport verwendet werden - auf 41 Tonnen gestiegen ist. Wir glauben das ist die Voraussetzung, dass man kranbare Sattelauflieger in den Markt bekommt. Denn umso mehr Potenzial ich habe, umso mehr kann ich auch intermodal fahren. Viele Unternehmen haben immer wieder die Möglichkeit mit ihrem Aufleger auf der Schiene zu fahren, aber das Equipment nicht. Sie kaufen es nicht weil es schwerer und ein bisschen teurer ist. Wenn ich das Gewichtsdefizit mit dieser einen Tonne entferne, dann habe ich den Anreiz, in das Equipment zu investieren. Dann habe ich ihn in der Flotte und ich bin flexibler.
In Deutschland fahren LKW mit deutlich mehr Kapazität, den darf man aber nur auf Routen einsetzen, wo die Schiene nicht vorhanden ist oder wo eher nur Personenverkehre und keine Güterverkehre abgewickelt werden. So etwas würden wir uns auch für Österreich wünschen. Hier nimmt man der Schiene nichts weg, man entlastet nur die Region, die in Sachen Schiene nicht ausgebaut ist. Mit einer Routengenehmigung für solche Fahrzeuge, die nicht schwerer als 40 Tonnen sind - sie haben nur mehr Laderaum – könnte ich LKW-Fahrten einsparen.
Sie haben am Anfang über die Maut, die Ihnen Sorge bereitet, gesprochen. Was konkret ist hier das Problem?
Klacska Wir sind intensiv am Thema Mautvalorisierung dran, es gibt hier noch wenig Bewusstsein und wenig offene Ohren. Bei vielen Staatsgebühren wurde die Valorisierung ausgesetzt, um einen Kostendämpfer zu haben, etwa bei Müllgebühren. Beim Thema Maut - weder für PKW noch bei der kilometerabhängigen Schwerverkehrsmaut - ist noch nicht durchgedrungen, dass diese Valorisierung angedacht wird. Für nächstes Jahr sind es immerhin 2,8 Prozent auszusetzen. Aber der wirkliche Hammer kommt dann ein Jahr später, da hätten wir eine Anpassung von sieben, acht, vielleicht sogar neun Prozent. Der Referenzzeitraum für die Inflation für die Mautanpassung sind zwei Jahre davor. 2021 gab es noch eine überschaubare Inflation, die Inflation für 2022 wäre dann für 2024, und spätestens dann wäre es exorbitant hoch. Dafür müsste man das Mautgesetz anpassen, und aus momentaner Sicht ist man zu dem Thema nicht einmal gesprächsbereit.