Nachhaltigkeit in der Logistik : "Es gibt noch erhebliches Potenzial, um die Logistik nachhaltiger zu gestalten"

Managing Director European Logistics Günter Hirschbeck
© Dachser

Wie weit ist die Logistik auf dem Weg zur grünen Logistik?
Günter Hirschbeck
Die zunehmende Sensibilität für Umweltfragen, strengere Vorschriften und der wachsende Druck seitens der Kunden haben die Logistikbranche bereits spürbar klimafreundlicher gemacht. Elektro- und Wasserstofffahrzeuge reduzieren den Kraftstoffverbrauch und senken die Emissionen im Straßenverkehr. Digitale Technologien tragen dazu bei, die Transportplanung zu optimieren und die Effizienz zu steigern. Trotz dieser Fortschritte gibt es noch erhebliches Potenzial, um die Logistik nachhaltiger zu gestalten.

Welche Hürden gibt es dabei?

Die Logistikbranche steht vor hohen Investitionskosten für die Einführung neuer Fahrzeuge, Technologien und Infrastrukturen. Hinzu kommt die begrenzte Verfügbarkeit alternativer Energiequellen und Kraftstoffe. Bei Dachser testen wir Wasserstoff- und Elektroantriebe und haben weltweit unsere Logistikanlagen und Bürogebäude auf 100 Prozent Ökostrom umgestellt. Trotzdem sind kontinuierliche Anstrengungen notwendig, um die Umweltauswirkungen der Logistik weiter zu minimieren.

Die Logistik ist – je nach Studie – für über fünf bis elf Prozent der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich. Wo entstehen hier die meisten Emissionen?

Im Jahr 2021 war der Verkehrssektor für etwa ein Drittel der globalen Emissionen verantwortlich. Davon entfielen rund 60 Prozent auf den Straßenverkehr, 23 Prozent auf den Luftverkehr, zwölf Prozent auf den Seeverkehr und fünf Prozent auf den Schienenverkehr. Der Branche ist dies bewusst, und die nachhaltige Transformation ist bereits in vollem Gange.

Wie realistisch ist die Umstellung auf Elektro- oder Wasserstoff-Antriebe für große Lkw und kleinere Transporter? Welche Herausforderungen gibt es dabei?
Der vollständige Übergang zu emissionsfreien Fahrzeugen ist unvermeidlich, da die rechtlichen Rahmenbedingungen den Herstellern keine andere Wahl lassen. Marktführende Unternehmen wie Daimler Trucks haben bereits 2019 angekündigt, ab 2039 in Europa, den USA und Asien nur noch emissionsfreie Fahrzeuge anzubieten. Aber eine der größten Herausforderungen beim Wasserstoffantrieb ist die Tankstelleninfrastruktur: In Europa gibt es derzeit nur etwa 60 Tankstellen, an denen Nutzfahrzeuge mit Wasserstoff betankt werden können. Konkrete Ausbaupläne fehlen bisher. Lkw benötigen hohe Reichweiten, die Batterien oft nicht leisten können, und es sind erhebliche Investitionen in die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge erforderlich. Zudem sind Elektro- und Wasserstofffahrzeuge oft teurer als Diesel-Lkw, und das Aufladen von E-Lkw dauert länger als das Tanken von Diesel. Auch das hohe Gewicht von Batterien und Wasserstofftanks reduziert die Nutzlast und beeinträchtigt die Wirtschaftlichkeit.

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Welche Rolle spielt dabei die letzte Meile? Laut einem Bericht des World Economic Forum ist der Lieferprozess für etwa 70 Prozent der Gesamtemissionen in Städten verantwortlich.
Die ineffiziente Zustellung an Endkunden, die oft viele Stopps, Umwege und Staus beinhaltet, führt zu einem erhöhten Kraftstoffverbrauch und höheren CO₂-Emissionen. Zudem steigt die Nachfrage nach schnellen und individuellen Lieferungen, was die Anzahl der Fahrzeuge und Fahrten weiter erhöht und die Emissionen in städtischen Gebieten verstärkt.

Wie kann die Letzte Meile umweltfreundlicher gestaltet werden?
Elektrische Lieferfahrzeuge sind eine ausgezeichnete Möglichkeit, Emissionen auf kurzen Strecken in dicht besiedelten Gebieten zu reduzieren. Dachser setzt im Rahmen seines City-Logistik-Konzepts auf lokal emissionsfreie Lieferungen in ausgewählten Innenstadtgebieten von zwölf europäischen Metropolen. Bis Ende 2025 sollen weitere zwölf emissionsfreie Liefergebiete in Europa hinzukommen.

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Ein Problem, mit dem Logistiker zu kämpfen haben, sind Leerfahrten. Es wird geschätzt, dass jede dritte Transportfahrt auf europäischen Straßen eine Leerfahrt ist. Wie kann man dem entgegenwirken?
Leerfahrten verschwenden Ressourcen, schaden der Umwelt und mindern die Effizienz. Mithilfe von Software und Datenanalyse lassen sich Routen besser planen, beispielsweise durch die Integration von Rückladungen nach einer Auslieferung, um den Laderaum optimal zu nutzen. Auch die effiziente Nutzung von Lagerkapazitäten, wie etwa Mikro-Depots, kann Leerfahrten reduzieren, indem Güter näher am Lieferziel gelagert werden.

Ein weiteres Thema zur Effizienzsteigerung und damit zur Reduzierung von Emissionen ist die optimale Nutzung der verfügbaren Ladefläche in Lkw. Welche Möglichkeiten gibt es hier?

Moderne Software und Algorithmen helfen dabei, die Fracht optimal auf den verfügbaren Raum zu verteilen und die Kapazität vollständig auszunutzen. Ein Effizienzgewinn entsteht auch durch die Konsolidierung von Fracht verschiedener Kunden in einem Lkw. Wo es rechtlich und wirtschaftlich vertretbar ist, setzen wir bei Dachser seit mehreren Jahren in verschiedenen Ländern Lang-Lkw verschiedener Typen ein. Zudem nutzen wir seit Jahren Doppelstockverladungen, wodurch wir die volumenmäßige Auslastung erheblich steigern können.

Der Umstieg auf eine nachhaltige Logistik erfordert Investitionen. Wie hoch sind diese? Kann man dadurch langfristig Kosteneinsparungen und Wettbewerbsvorteile erzielen?

Die Vermeidungskosten für eine Tonne CO₂ im Verkehrssektor liegen je nach Verkehrsträger und Technologie zwischen 50 und 500 Euro, wobei die höchsten Kosten im Luftverkehr und im Schwerlastverkehr anfallen. Allerdings kann eine nachhaltige Logistik langfristig erhebliche Kosteneinsparungen, Effizienzsteigerungen, eine geringere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und reduzierte Umweltabgaben bringen. Diese Faktoren senken die Betriebskosten, stärken die Marktposition und reduzieren das Umweltrisiko.

Logistikzentren stehen oft in der Kritik – sowohl wegen des damit verbundenen Verkehrsaufkommens als auch des Bodenverbrauchs. Wie können Logistikzentren grün und nachhaltig werden?
Nachhaltigkeit beginnt mit der Auswahl eines Standorts, der verkehrsgünstig gelegen ist und gut an unser Transportnetzwerk in Europa und weltweit angebunden ist. Bei Dachser legen wir großen Wert auf diese Standortwahl. Nachhaltigkeit spielt auch beim Bau und Betrieb der Logistikzentren eine zentrale Rolle. Der Einsatz erneuerbarer Energiequellen und energieeffizienter Anlagen, wie Photovoltaikanlagen, ist dabei von großer Bedeutung. Noch wichtiger ist jedoch, dass unsere Mitarbeiter die Nachhaltigkeitsstrategie des Logistikzentrums aktiv unterstützen und umsetzen, denn sie sind es, die diese Strategie mit Leben füllen.

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Welche Rolle spielen digitale Technologien und KI beim Wechsel zu einer nachhaltigen Logistik?
Digitale Technologien und künstliche Intelligenz sind Schlüsselkomponenten für eine nachhaltige Logistik. Sie ermöglichen effizientere Prozesse, indem sie Daten entlang der gesamten Lieferkette erfassen, analysieren und nutzen. Sensoren, RFID-Tags und GPS können den Zustand, die Position und den Status von Gütern oder Fahrzeugen in Echtzeit überwachen. Dies erhöht die Transparenz, Sicherheit und Qualität der Lieferungen, während Verschwendung, Verlust und Beschädigung von Gütern minimiert werden. Algorithmen und KI analysieren diese Daten und geben Empfehlungen zur Optimierung logistischer Abläufe. Bei Dachser sind derzeit 8.500 Wechselbrücken, die Güter im Fernverkehr zwischen unseren europäischen Niederlassungen transportieren, mit innovativen Smart Tracking Devices ausgestattet. Diese ermöglichen es uns, die Transportbehälter in Echtzeit zu verfolgen und Ankunftszeiten genau zu berechnen.

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Wie nachhaltig ist Dachser selbst - sowohl international als auch in Österreich? Welche aktuellen Investitionen gibt es in diesem Zusammenhang?
Seit Januar 2022 bezieht Dachser weltweit ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien. Unsere Standorte in Himberg, Linz, Graz und Innsbruck werden in den kommenden Jahren mit LED-Beleuchtungen und Flurförderzeugen mit Lithium-Ionen-Batterien für die innerbetriebliche Logistik ausgestattet. Darüber hinaus haben wir in den letzten Jahren mehrere Photovoltaikanlagen auf den Dächern unserer Standorte installiert, um einen Teil unseres Strombedarfs zu decken. Aktuell haben wir in Wien die emissionsfreie Citylogistik gestartet, die wir sukzessive auch in Linz, Graz und Innsbruck einführen werden. Da Dachser ausschließlich regenerativ erzeugten Strom bezieht und für das Aufladen verwendet, reduzieren sich die betriebsbedingten Treibhausgasemissionen auf der letzten Meile auf null.