Lagerautomatisierung : Das können autonome mobile Roboter in der Automobilindustrie leisten

MIR-AMR bei Ford in Spanien
© Anibal Trejo Visuals

Rückläufige Verkaufszahlen, strenge Emissionsvorgaben, Lieferkettenstörungen und nicht zuletzt Fachkräftemangel – die Herausforderungen der Automobilindustrie scheinen endlos. Hier kann vor allem Innovation gegenwirken.

Nach Angaben des Verbands der Europäischen Automobilhersteller (ACEA) investiert die Branche verglichen mit anderen das meiste Geld in Forschung und Entwicklung und ist darüber hinaus schon lange die am stärksten automatisierte Industrie weltweit. Allein in Deutschland sind laut einer Studie der International Federation of Robotics (IFR) 13 Prozent der in der Automobilindustrie eingesetzten Arbeitskräfte Roboter. Doch obwohl die Branche schon seit fast 60 Jahren auf Robotik setzt, nutzen bisher nur wenige Unternehmen autonome mobile Roboter (AMR).

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Autonome Robotik vs. spurgebundene Fahrzeuge

Dank integrierter Näherungssensoren, Sicherheits-Laserscannern und 3D-Kameras sowie intelligenter Software navigieren autonome mobile Roboter sicher in dynamischen und stark frequentierten Umgebungen. Sie erkennen Menschen, andere Fahrzeuge und statische Hindernisse, wie Regale, zuverlässig und weichen diesen automatisch aus oder bremsen rechtzeitig. Im Gegensatz zu herkömmlichen fahrerlosen Transportsystemen (FTS) bewegen sie sich autonom und benötigen keine strukturellen Änderungen in der Infrastruktur.

FTS dagegen nutzen zur Navigation in der Regel Induktionsschleifen oder Markierungen auf dem Boden und können daher nur vorprogrammierte Wege abfahren. AMR wiederum lassen sich über eine intuitive Bedienoberfläche schnell und einfach für neue Wegstrecken umprogrammieren. Sie können so unkompliziert für verschiedene Transportaufgaben in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt werden.

AMR können sowohl Gabelstapler zwischen der Inbound-Logistik und dem Lagerbereich ersetzen als auch innerhalb der Fertigung bei der Materialanlieferung oder dem Abfallentsorgung unterstützen. Je nach Bedarf fahren sie eine spezifische Route kontinuierlich ab oder holen und liefern Waren auf Abruf. Die Agilität der AMR macht sich besonders im Hinblick auf die hochvolatilen Märkte und dynamischen Bedingungen, mit denen sich die Automobilbranche seit Jahren konfrontiert sieht, bezahlt. Hersteller und Zulieferer müssen viel schneller und flexibler auf sich stetig ändernde Anforderungen reagieren. AMR punkten hier durch Intelligenz und Flexibilität, indem sie sich bei Veränderungen der Infrastruktur leicht für neue Aufgaben anpassen lassen.

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Visteon ersetzte FTS durch AMR

Davon profitiert auch Visteon Electronics Slovakia. Der Automobilzulieferer produziert jährlich zwei Millionen Cockpit-Konsolen für verschiedene OEM-Automobilhersteller. Die Anlieferung der Materialien in höchster Qualität, definierten Mengen und zu einem festgelegten Zeitpunkt ist komplex und erfordert maximale Präzision und Flexibilität. Um den internen Transport zu automatisieren, setzte das Unternehmen zunächst auf klassische FTS. Eine Routenänderung bei Wechsel des Produktionslayouts war jedoch zeitaufwendig und kostspielig, da die komplette Infrastruktur der Magnetstreifen angepasst werden musste. Schließlich entschloss sich Visteon dazu, die FTS durch agile und flexible AMR zu ersetzen. Inzwischen transportieren vier MiR200 Roboter im 24-Stunden-Betrieb an fünf Tagen pro Woche Leiterplatten, fertige Kunststoffkomponenten und Abfallmaterial zu ihren Bestimmungsorten. Die MiR-Roboter ließen sich dabei einfach implementieren und bei Bedarf schnell für neue Aufgaben einsetzen, so die Informationen von Visteon. Nach weniger als einem Jahr konnte das Unternehmen so bereits seinen ROI erzielen.

AMR von MIR bei Visteon
© Mobile Industrial Robots

Ford setzt für repetetive Tätigkeiten nun AMR ein

Während die mobilen Roboter nicht wertschöpfende, anstrengende und repetitive Transportaufgaben übernehmen, können Unternehmen ihre Mitarbeiter für höherwertige Aufgaben einsetzen. Das ist besonders im Kampf um Fachkräfte ein enormer Wettbewerbsvorteil. Eine Auswertung der Agentur Index Research zeigt, dass allein die deutsche Automobilbranche Mitarbeiter für über 169.000 Positionen sucht. Diese große Menge ausgeschriebener Stellen bietet Arbeitskräften eine Wahlmöglichkeit, sich für das attraktivste Jobangebot zu entscheiden. Es ist also nicht verwunderlich, dass vor allem körperlich anstrengende und monotone Tätigkeiten oft hintenanstehen. Hier kommen autonome mobile Roboter ins Spiel: Sie unterstützen Unternehmen nicht nur dabei, Personalengpässe auszugleichen, sondern erhöhen auch die Attraktivität der Berufe.

Das erkannte auch Ford. Im spanischen Werk des Automobilherstellers gehen täglich 2.000 Fahrzeuge vom Band. Um die Produktion in der großen Anlage am Laufen zu halten, müssen die verschiedenen Roboterstationen des Karosserie- und Stanzwerks stets mit dem nötigen Industrie- und Schweißmaterial versorgt werden. Lange Zeit haben die Mitarbeiter das schwere Material händisch an die Fertigungslinien geliefert – eine repetitive und zeitaufwändige Aufgabe. Schnell war klar, dass dieser Prozess hohes Automatisierungspotenzial birgt: Um den Materialfluss zu optimieren und die Mitarbeiter von den monotonen Aufgaben zu entlasten, setzt FORD inzwischen AMR ein. Ausgestattet mit einem speziellen Regalsystem transportieren drei MiR100-Roboter die benötigten Materialien mit unterschiedlichem Gewicht und Größe zu den Roboterzellen. Durch den Einsatz der AMR werden täglich 40 Arbeitsstunden frei, wodurch sich die Mitarbeiter auf anspruchsvollere Aufgaben konzentrieren können.

Je nach Bedarf können autonome mobile Roboter mit Aufsatzmodulen ausgestattet werden. Zu den gängigsten Applikationen gehören Kombinationen mit Regalaufsätzen, Transportwagen, Förderbändern und Palettenhebern. Damit können sie unter anderem schwere Paletten durch die Werkshalle befördern, stationäre Förderbänder überbrücken oder Montagelinien mit Kleinladungsträgern beliefern. Auf diese Weise bieten mobile Roboter Lösungen für jedes Automatisierungslevel – von einzelnen Prozessschritten bis hin zur kompletten Anwendung.

AMR von MIR bei Ford
© Mobile Industrial Robots

AMR erhalten bei Faurecia automatisch Aufträge

Vollautomatisiert läuft die Intralogistik beim Tier-1-Zulieferer Faurecia. Eine gemischte Roboterflotte bestehend aus MiR500 und MiR200 Hook Modellen übernimmt den Transport von Rahmenteilen zwischen verschiedenen Fertigungsstationen. Die flexiblen Roboter sind mit speziellen Aufsatzmodulen ausgestattet, so dass sie sich ideal für das automatisierte Be- und Entladen der Rahmenteile eignen. Darüber hinaus hat Faurecia die Roboter in das eigene ERP-System integriert, wodurch die AMR automatisch Aufträge erhalten und abarbeiten können. So gelang es dem Automobilzulieferer, seinen internen Materialfluss vollständig zu automatisieren und die Produktivität und Effizienz zu steigern.

AMR von MIR bei Faurecia
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