Automatisierung : So automatisiert sind Europas Lager

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Lagerautomatisierung rückt angesichts steigender Kosten und Arbeitskräftemangel immer mehr in den Mittelpunkt unternehmerischer Planung. Der internationale Anbieter für Robotik und Automatisierung, Addverb Techologies, hat sich nun im Rahmen einer Studie („Unlock the true potential of your warehouse) angesehen, wie die aktuelle Situation in der Intralogistik aussieht und wie weit fortgeschritten Automatisierungspläne in Deutschland, den Niederlanden und UK sind.

Demnach ist der Grad der Automatisierung in allen drei untersuchten Regionen unterschiedlich: 42 Prozent der in Deutschland befragten berichtet von einem sehr geringen Automatisierungsgrad im Lagerbereich ihres Unternehmens. In den Niederlanden und in Großbritannien gibt jeweils eine Mehrheit an, dass in ihren Unternehmen in diesem Bereich bereits eine Mischung aus manuellen und automatisierten Prozessen besteht.

Es besteht aber klares Interesse an Investitionen in die Lagerautomatisierung. Ein signifikanter Prozentsatz der Befragten in den Niederlanden (25%), dem Vereinigten Königreich (21%) und Deutschland (26%) planen, innerhalb der nächsten drei Jahre in die Lagerautomatisierung zu investieren.

Denn obwohl die Umstellung auf Automatisierung in allen untersuchten Ländern schon weit fortgeschritten ist, gebe es dennoch viele Möglichkeiten für einen weiteren Automatisierungsausbau im Intralogistik-Umfeld, heißt es.

Modernisierung bestehender Anlagen: Brownfield-Projekte

Dabei sei vor allem die Automatisierung von Bestandsanlagen eine recht flexible Lösung, wenn sie nahtlos integrierbar ist. So blieben Teile der Lagereinrichtungen bestehen, während sich etwa innerbetriebliche Materialflüsse automatisieren ließen und dadurch flexibel skalierbar würden.

In Anbetracht der landesspezifischen Herausforderungen scheinen dabei flexible Automatisierungslösungen wie Autonome Mobile Roboter (AMR) und Sortierroboter von großer Bedeutung zu sein. AMR können dabei helfen, den Personalbedarf in Lagerhäusern signifikant zu reduzieren und hohe Effizienz zu gewährleisten. Sortierroboter wiederum können die Auftrags- und Retourenabwicklung in E-Commerce-Unternehmen erheblich verbessern.

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Kommissionierung und Omnichannel-Fulfillment: Ein Fokus auf Effizienz

Die automatisierte Kommissionierung gewinnt ebenfalls an Bedeutung, da sie einen erheblichen Anteil an den Betriebskosten eines Lagers ausmacht. Fortschrittliche Kommissioniertechnologien können die Kommissionierrate erheblich steigern. Um den sich ändernden Anforderungen der Branche gerecht zu werden, wurden fragmentierte Systeme und veraltete Ausrüstung als Herausforderungen identifiziert. Hier bieten moderne, interoperable Automatisierungsanlagen und Omnichannel-Fulfillment-Systeme Lösungsansätze.

Die Befragten über alle drei Märkte hinweg sehen die Vorteile einer schrittweisen Automatisierung bestehender Lager im Vergleich zum Aufbau eines komplett neuen automatisierten Lagers. Dabei wurden die Kosten als ein zentrales Anliegen in Bezug auf die Automatisierung identifiziert. Eine schrittweise, sogenannte Brownfield-Automatisierung, kann hier mit relativ geringen Anfangskosten punkten – zumindest im Vergleich zur vollständigen Greenfield-Automatisierung.

Kommissionierung und Verpackung, Versand, Bestandsverwaltung und -verfolgung sind nach Angaben der Befragten einige der Bereiche, die am dringendsten automatisiert werden sollten. Dabei werden die Verkürzung der Bearbeitungszeit und die Fähigkeit, Schwankungen flexibel zu begegnen, als größte Vorteile gesehen.

Als drängendste Probleme werden vor allem steigende Kosten und sich ständig ändernde Verbrauchererwartungen genannt. Steigende Kosten sind sowohl in den Niederlanden (34 %) als auch im Vereinigten Königreich (59 %) das derzeit größte Problem im Logistik- und Lagersektor. In Deutschland sind 23 % der Befragten über steigende Kosten besorgt.

Obwohl die sich ständig ändernden Verbrauchererwartungen in keinem der drei Länder als dringlichste Sorge genannt wurden, zeigt eine Gesamtanalyse, dass 17 % aller Befragten dies als besorgniserregendes Problem bezeichneten. Während die Teilnehmer aus Deutschland dabe9 am meisten über die sich ständig verändernde Marktlandschaft besorgt sind (27 %), bezeichneten das nur fünf Prozent der Befragten aus dem Vereinigten Königreich als dringendes Problem.

Hier ist der Arbeitskräftemangel ein besonders großes Problem

Arbeitskräftemangel generell ist sowohl in den Niederlanden als auch im Vereinigten Königreich ein Thema, für deutsche Lagerhäuser ist er jedoch vergleichsweise weniger besorgniserregend. Der Mangel an qualifiziertem Personal jedoch ist in den Niederlanden (36 %) und in Deutschland (24 %) das größte Problem, während im Vereinigten Königreich (26 %) die hohe Fluktuation die Liste anführt.

Angefangen bei Gehältern und Sozialleistungen, die keinen ausreichenden Anreiz bieten, bis hin zu Sicherheitsbedenken und mangelnder Bereitschaft, ist die Personalbeschaffung in Lagern in allen drei Ländern gleichermaßen eine Herausforderung. Lagerhäuser stehen heute bei der Gewinnung und Bindung von Arbeitskräften vor besonderen Herausforderungen. Interessant ist, dass mehr als die Hälfte der Befragten im Vereinigten Königreich der Meinung sind, dass die Gehälter und Sozialleistungen für diesen Bereich nicht attraktiv genug sind. Das Gleiche gilt auch für die Niederlande, wo 42 % der Befragten den gleichen Grund für diese spezifische Schwierigkeit anführen. 30 % der Befragten im Vereinigten Königreich sind der Meinung, dass die Bereitschaft, in Lagern zu arbeiten, nicht vorhanden ist.

In Deutschland machen Sicherheitsbedenken die Gewinnung und Bindung von Talenten zu einer schwierigen Aufgabe für Lagerhäuser. In den Niederlanden hingegen werden Sicherheitsbedenken in dieser Hinsicht nicht als ein wesentliches Problem angesehen.

Abgesehen vom Arbeitskräftemangel ist das Vorhandensein mehrerer Vertriebskanäle einer der schwierigsten Faktoren, die einer effizienten Erfüllung der sich ändernden Anforderungen der Branche im Vereinigten Königreich, Deutschland und den Niederlanden im Wege stehen. Während veraltete Systeme und Ausrüstungen im Vereinigten Königreich eine dringende Herausforderung für die Lagerhaltung darstellen (28 %), ist dies in Deutschland (elf Prozent) und den Niederlanden (sechs Prozent) vergleichsweise weniger der Fall. Fragmentierte Systeme sind auch für 12,33 Prozent aller Befragten in den drei Ländern ein Grund zur Sorge.

E-Commerce als Treiber von Automatisierung

Der elektronische Handel hat einen neuen Standard für die Erwartungen an die Liefergeschwindigkeit gesetzt. Inmitten der sich rasch verändernden Verbraucher- und Handelslandschaft hat die steigende Popularität des E-Commerce die Lagerhaltung heute zweifellos zu einer noch größeren Herausforderung gemacht. Im Vereinigten Königreich ist mehr als die Hälfte der Befragten der Ansicht, dass die Erwartungen an eine superschnelle Lieferung bzw. Lieferung am selben Tag nur schwer zu erfüllen sind. Dies ist auch die Hauptsorge der niederländischen Befragten (38 %) im Hinblick auf die durch den E-Commerce ausgelösten Veränderungen in der Branche.

Eine gemeinsame Herausforderung, mit der alle drei Märkte konfrontiert sind, ist die Prävalenz kleinerer Bestellgrößen von Kunden, die ein stückweises Kommissionieren und Kartonhandling erforderlich machen - das sind 32 % in Deutschland, 30 % in Großbritannien und 28 % in den Niederlanden. Auch das Management der Rücknahmelogistik und der Retourenaufträge ist für durchschnittlich 25 % der Befragten in den drei Ländern eine dringende Herausforderung.

Ferienzeiten und Zeiten mit hoher Nachfrage stellen für Lagerhäuser lukrative, aber auch äußerst anspruchsvolle Zeiten dar. Die Einstellung von Saisonarbeitern kann zwar ein gewisses Maß an Sicherheit bei der Bewältigung der Aufgaben bieten, doch die Rekrutierung und Ausbildung neuer Mitarbeiter ist mit Kosten, Schulungen und zusätzlichen Verfahren für Löhne und gesetzliche Sicherheitsmaßnahmen verbunden. Und all dieser zusätzliche Aufwand während der arbeitsreichsten Zeit des Jahres verschärft die Herausforderung zusätzlich.

Die Nichtverfügbarkeit von Arbeitskräften während der saisonalen Spitzenzeiten ist sowohl in den Niederlanden (30 %) als auch im Vereinigten Königreich (37 %) ein Thema, während die Ausbildung von Saisonkräften in Deutschland (24 %), den Niederlanden (22 %) und im Vereinigten Königreich (43 %) gleichermaßen ein Problem darstellt. Als Land mit einem angespannten Arbeitsmarkt haben die Niederlande ihren Anteil an der Sorge, dass das vorhandene Lagerpersonal nicht in der Lage ist, die Nachfrage während der saisonalen Spitzenzeiten zu bedienen.

Abgesehen von Personalfragen ist auch der begrenzte Lagerraum in allen drei Ländern ein wichtiges Thema - 30 % in Großbritannien, 28 % in den Niederlanden und 30 % in Deutschland. Die damit verbundenen Kosten sind eine häufige Sorge im Zusammenhang mit der Automatisierung. Auf die Frage nach den Bedenken oder Befürchtungen, die sie im Hinblick auf die Automatisierung haben, nannten die Befragten in Großbritannien (54 %), den Niederlanden (40 %) und Deutschland (29 %) die mit der Automatisierung verbundenen Kosten als größte Sorge.

Die Interaktion zwischen Mensch und Roboter im Hinblick auf Fähigkeiten, Ausbildung und Anpassungsfähigkeit ist ebenfalls ein gemeinsames Anliegen aller. 20 % der Befragten aus den Niederlanden und 25 % aus dem Vereinigten Königreich befürchten außerdem, dass die Einführung der Automatisierung ihre bestehenden Abläufe stören könnte. 27 % der Befragten aus Deutschland sehen das auch so.

Die meisten Befragten in allen drei Märkten gaben an, dass sie "eher" der Meinung sind, dass die schrittweise Automatisierung bestehender Lager besser funktioniert als der Aufbau eines automatisierten Lagers von Grund auf.

Die beiden vorteilhaftesten Aspekte der Automatisierung eines bestehenden Lagers (Brownfield-Automatisierung) gegenüber dem Bau einer neuen automatisierten Anlage von Grund auf (Greenfield-Automatisierung) sind in allen drei Märkten sowohl die Optimierung des vorhandenen Raums und der vorhandenen Ausrüstung, ohne dass eine Erweiterung erforderlich ist, als auch der geringere Zeitaufwand für die Implementierung der Automatisierung. Geringere Kapitalkosten und minimale Unterbrechung des täglichen Betriebs werden ebenfalls als wichtige Vorteile der Brownfield-Automatisierung.

Hier ist der Automatisierungsbedarf in der Logistik am höchsten

Die Kommissionierung und Verpackung ist ein Bereich, in dem der Automatisierungsbedarf am größten ist. Bestehende Studien weisen darauf hin, dass die Kommissionierung der zeitaufwändigste Teil der Lagerfunktionen ist und etwa 70 % der Betriebszeit und etwa 55 % der Betriebskosten in Anspruch nimmt. Dementsprechend ist nach Ansicht der Teilnehmer in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich die Kommissionierung und Verpackung derjenige Aspekt der Lagerhaltung, der am meisten automatisiert werden muss, während in Deutschland der Versand an erster Stelle steht. Auch Bestandsmanagement und -verfolgung sind in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich gleichermaßen wichtige Handlungsfelder.

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Die Verkürzung der Durchlaufzeiten und die Flexibilität, mit der auf Schwankungen reagiert werden kann, werden als die größten Vorteile der Automatisierung angesehen. Von den vielen Vorteilen der Automatisierung ist nach Ansicht der Befragten in den Niederlanden (22 %) und im Vereinigten Königreich (26 %) die Verkürzung der Bearbeitungszeit der größte Vorteil. In Deutschland wird die Flexibilität zur Bewältigung von Schwankungen als der größte Vorteil angesehen. Der Vorteil einer schnellen Skalierung wird von den Befragten aus Deutschland (18 %) und den Niederlanden (18 %) gleichermaßen anerkannt.

Interessanterweise gehört das Erreichen der Speicherdichte zu den Aspekten, die nicht als so wichtiger Vorteil der Automatisierung wahrgenommen werden wie andere Aspekte.

Diese Probleme kann Automatisierung nicht lösen

Einige Probleme werden als unlösbar angesehen, selbst wenn sie automatisiert werden können. Auf die Frage nach Problemen, die nicht durch Automatisierung gelöst werden können, waren Fehler und Ungenauigkeiten (Deutschland), Ineffizienzen in der Lieferkette (NL) und die Bewältigung des Personalmangels (UK) die meistgewählten Antworten. Interessanterweise wurden in allen drei Märkten auch Sicherheitsprobleme und -risiken als etwas angesehen, das mit der Automatisierung nicht gelöst werden kann. Dies könnte ein Hinweis auf Bedenken und Vorurteile im Zusammenhang mit der Interaktion zwischen Mensch und Roboter sein.

Die Vorteile der Automatisierung erstrecken sich auch auf ein höheres Maß an Kontrolle für die Manager im Lagerbetrieb. Wenn es um die Überzeugung geht, dass Funktionen wie vorausschauende Analysen, Zustandsüberwachung und intelligente Lagerverwaltung den Managern ein höheres Maß an Kontrolle über Die Befragten aus Großbritannien (22 %) sind am optimistischsten, gefolgt von den Niederlanden (16 %) und Deutschland (13 %).

Es besteht eine spürbare Neigung zu Automatisierungsbemühungen in der nahen Zukunft. 34 % der Befragten in den Niederlanden wollen in den nächsten drei Jahren in die Lagerautomatisierung investieren, während in Deutschland 26 % der Befragten dies innerhalb des nächsten Jahres tun wollen. Im Vereinigten Königreich sind 30 % der Befragten unsicher, ob sie in die Lagerautomatisierung investieren sollen, während 21 % dies in den nächsten drei Jahren in Erwägung ziehen. Langsam aber sicher haben viele Lagerhäuser in letzter Zeit den Schritt zur Automatisierung vollzogen. Dies wird durch den Optimismus in der Umfrage belegt, in der insgesamt 45 % der Befragten in Deutschland, 44 % in den Niederlanden und 39 % im Vereinigten Königreich eine Investition in die Automatisierung innerhalb der nächsten ein bis drei Jahre in Erwägung ziehen.