Transport : Letzte Meile: Von Menschen und Maschinen

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Es ist keine Neuigkeit, dass E-Commerce boomt und die Paketmengen stetig steigen. Mittlerweile kaufen laut der aktuellen E-Commerce-Studie 76 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen online ein, die 10-Milliarden-Euro-Marke wurde bis Ende April 2022 erstmals geknackt. Gleichzeitig ist der Lieferverkehr in den Städten für Platzprobleme und Emissionen verantwortlich – der Lieferprozess ist etwa für 70 Prozent der Gesamtemissionen verantwortlich.

Hier versuchen Onlinehändler und Start-ups gleichermaßen, diese letzte Meile der Zustellung zu optimieren und nachhaltiger zu gestalten. In den letzten Jahren gab es dabei allerhand Ideen – vom Transport über die Straßenbahn durch Privatpersonen, via Drohnen, eine Lieferung direkt ins Wohnzimmer oder mit Zustell-Robotern. Dispo fasst zusammen, was aktuell auf der letzten Meile los ist.

Autonome Lieferfahrzeuge

Der Marktanalyst Styleintelligence (STIQ) hat kürzlich eine Übersicht über autonome Lieferfahrzeuge (ADV) erstellt, der zwischen Roboter-Locker, Gehsteig-Roboter, straßenbetriebene Roboter und autonome Fahrzeuge, die für den Transport von Waren gebaut wurden, unterscheidet.

Dabei umfasst der Sektor Autonomous Delivery eine Vielzahl von Roboterlösungen, darunter mobile Roboterfahrzeuge, Lauf- und Beinroboter, Züge, Schließfächer und Drohnen, worauf allerdings im Bericht nicht eingegangen wurde; er konzentriert sich in erster Linie auf mobile Fahrzeuglösungen für die letzte und mittlere Meile sowie auf robotische Schließfächer. Die teilnehmenden Unternehmen waren in den Bereichen Paketzustellung, Fast Food, Lebensmittelzustellung und Komponenten tätig.

Der Markt für autonome Lieferfahrzeuge und der breitere Einsatz von autonomen Fahrzeugen auf der letzten Meile sei dabei noch im Entstehen begriffen. Die Geschäftsmodelle entwickelten sich zwar weiter und auch Versuche würden häufig genehmigt, sie führten aber selten zu skalierten Lösungen mit bedeutenden kommerziellen Zielen und Serviceverbesserungen, so der Marktbericht.

Dabei gebe es nur wenige technologische Hindernisse für den Einstieg, da Open-Source-Software weit verbreitet ist und von Unternehmen wie etwa Nvidia unterstützt wird. Die Befragungen von STIQ ließen jedenfalls erste Anzeichen für eine zunehmende Attraktivität erkennen, vor allem bei Anwendungen auf der mittleren und letzten Meile. Vor allem eine Ankündigung galt dabei als wichtige Entwicklung im heurigen Jahr, nämlich dass Sodexo über 1.200 Gehsteig-Roboter (pavement robots) auf Universitätsgeländen einsetzen will.

Staus könnten dabei ein wichtiger Aspekt für ADV-Anbieter werden. Einige Städte hätten laut STIQ bereits die Notwendigkeit erkannt, die Straßen zu entlasten, einige Städte hätten sogar Pläne angekündigt, ausschließlich interne Last-Mile-Lieferdienste zu betreiben.

Negativ wurde im Bericht erwähnt, dass das regulatorische Umfeld nach wie vor unausgereift ist und auch einige Kernkomponenten der Roboter derzeit unter schwerwiegenden Unterbrechungen in der Lieferkette leiden, was kurzfristig größere Einsätze einschränken könnte.

Amazons Roboter Scout liefert nicht mehr

Amazon hat seit drei Jahren den Lieferroboter Scout im Einsatz, während Corona hat Amazon die Reichweite des Dienstes sogar erhöht. Zu ausgewählten Märkten in Kalifornien und Washington kamen nun auch Georgia und Tennessee dazu. Kürzlich hieß es auch noch, dass man Scout auch in Europa testen wolle.

Doch der Online-Riese schränkt das Programm nun massiv ein. Bisher haben etwa 400 Mitarbeitende am Programm gearbeitet, wie klein das neue Team nun sein wird, bleibt abzuwarten. Ein Sprecher des Unternehmens erklärte gegenüber Techcrunch, dass man während des begrenzten Feldtests für Scout daran gearbeitet habe, ein einzigartiges Liefererlebnis zu schaffen, man aber durch das Feedback gelernt habe, dass es Aspekte des Programms gab, die nicht den Bedürfnissen der Kunden entsprachen. "Aus diesem Grund beenden wir unsere Feldtests und richten das Programm neu aus. Während dieser Übergangsphase arbeiten wir mit unseren Mitarbeitern zusammen und vermitteln ihnen offene Stellen, die am besten zu ihren Erfahrungen und Fähigkeiten passen."

Im Gegensatz dazu konnte SEW Eurodrive kürzlich mit seinem Lieferroboter für die letzte Meile einen Preis einheimsen: Den Last Mile Delivery Innovation of the Year“-Award für den „MAXOLUTION-Logistikassistent“. Basierend auf den Erfahrungen des Antriebstechnikers bei der Gestaltung von flexiblen Fabriken durch intelligent vernetzte mobile Transportsysteme hat SEW Eurodrive ein urbanes Fahrzeug entwickelt, dass am deutschen Efeu-Campus in Sachen letzte Meile unterwegs ist.

Das Fahrzeug hat einen Allradantrieb aus SEW-Antriebstechnik, um problemlos Bürgersteige und Unebenheiten zu überwinden und bei allen Wetterlagen zuverlässig unterwegs zu sein. Bei der Steuerung und Kinematik lag der Fokus auf höchster Beweglichkeit und sicheren Kurvenfahrten.

Der autonome Lieferroboter bewegt sich mit ca. 6 km/h auf dem belebten Areal. Daher muss bei der Navigation und Sicherheitstechnik gewährleistet sein, dass Personen, Tiere und Gegenstände zuverlässig erkannt werden. Die Energieversorgung erfolgt witterungsbeständig über die kontaktlose Energieübertragung Movitrans an definierten Ladepunkten. Das Fahrzeug ist wetterfest, die Ladungsträger sind einbruchsicher. Fünf dieser autonomen Zustellsysteme sind derzeit unterwegs.

Amazons autonomer Lieferroboter Scout
© YouTube/CNBC Television

Menschliche, nachhaltige Zustellung

Seit Anfang November ist ein neuer Lieferdienst in Österreich unterwegs. Das Konzept von Liefergrün: Die schnelle und emissionsfreie Zustellung inklusive Plattform.

Geführt wird Liefergrün in Österreich von Sascha Sauer, der zuvor bei Hermes tätig war: „In Österreich und Osteuropa ist der Onlinehandel eindeutig im Aufwind. Allerdings ist die letzte Meile dort noch nicht ausreichend nachhaltig abgedeckt. Gerade beim letzten Punkt müssen wir schneller werden. Mit dem Liefergrün-Ansatz aus Deutschland sehe ich daher großes Potenzial", so Sauer.

Gestartet wird mit fünf Mitarbeitern und drei Partnern, erklärt Sauer gegenüber dispo. „Schon ab Jänner werden weitere Landeshauptstädte wie Graz, Klagenfurt, St. Pölten, Linz und Salzburg folgen. Bezüglich Kunden kann ich Ihnen aktuell die Namen noch nicht nennen, wir werden hier aber zeitnah einen Großkunden in Österreich und Deutschland ankündigen.“

Planbare Lieferungen und Retouren

Die Last-Mile-Plattform setzt mit ihrem technologisierten Logistikkonzept auf planbare und schnelle Belieferung von Innenstädten per Lastenrad und E-Van. Die Kunden und Kundinnen bestimmen dabei, wann die Lieferung ankommen soll t. Das gleiche Prinzip gilt auch für die Retouren. 86 Prozent der Emissionen im Lieferprozess kann Liefergrün einsparen, der Rest wird durch das Unternehmen kompensiert.

“Wir arbeiten daran, europaweit die nachhaltigste und effizienteste Lieferlösung für jeden Online-Shop aufzubauen. Die Expansion nach Wien markiert den Beginn unseres internationalen Abenteuers. Die grüne letzte Meile wird überall in Europa gebraucht, und nur die Einzelhändler, die sich jetzt der Bewegung anschließen, können sich wirklich differenzieren”, so Niklas Tauch, Geschäftsführer von Liefergrün.

Durch die Nähe Österreichs zu anderen europäischen Ländern hat Liefergrün als nächstes Metropolen wie Budapest, Bratislava und Prag im Visier und kann damit weitere 30 Prozent des Liefermarktes abdecken. “Diese Märkte sind vielversprechend, da das Interesse am Online-Handel sehr groß ist. Doch ohne moderne und flexible Liefermöglichkeit führt dies zum Verkehrschaos in den Städten. Die derzeitige Infrastruktur entspricht noch lange nicht den nachhaltigen Zielen. Genau hier wollen wir ansetzen. Wir müssen dort, wo überholte Prozesse bestehen, radikal umdenken, um eine intelligentere und nachhaltigere Lieferinfrastruktur für die letzte Meile und mittelfristig für den Regionalverkehr zu schaffen”, so Sauer.

Fahrzeuge von Liefergrün
© Liefergrün

Wenn der Kunde die letzte Meile selbst geht

Mittlerweile sind auch Abholboxen bei der letzten Meile nicht mehr wegzudenken. So arbeitet etwa Ikea mit dem Anbieter Storebox in Österreich zusammen, damit Kunden Bestellungen per Click & Collect in eine Storebox in der Nachbarschaft zugestellt bekommen. Nach einer Testphase soll die gemeinsame Lieferlösung in mehreren Schritten auf ganz Österreich ausgedehnt werden.

Zugang zum Lager bekommen die Käufer via einem per Mail oder SMS übermittelten Code, um die bestellte Ware in der nächstgelegenen Storebox kontaktlos und rund um die Uhr abholen zu können. „Neben der spürbaren Zeitersparnis und komfortablen Online-Bestellung sprechen die umweltfreundliche Abholung in der unmittelbaren Wohnumgebung und der niedrige Lieferpreis von zehn Euro für unsere Zusammenarbeit mit Ikea“, betont Johannes Braith, CEO von Storebox. „Laut unserer internen Umfrage haben 100 Prozent der befragten Click & Collect Kunden angegeben, dass sie unseren Service wiederbeauftragen werden“, so Braith weiter.

Auch DPD nutzt Storebox, da die letzte Meile im urbanen Bereich durch beispielsweise Zufahrtsbeschränkungen oder der hohen Mobilität der Empfangskunden immer herausfordernder werde, wie DPD-Österreich-Geschäftsführer Rainer Schwarz erklärt. Der Zutritt zur sogenannten „Paketwand“ wird über Scan ermöglicht, alles weitere werde über die Bedienoberfläche der Paketstation abgewickelt.

Autostore wiederum hat mit dem „PickUpPort“ einen öffentlich zugänglicher Port geschaffen, über den Kunden online einkaufen und ihre Bestellung direkt im AutoStore-System abholen können. “Mit dem PickUpPort können Händler eine einfache Abholoption anbieten. Kunden können sehen, wie Roboter Behälter mit Artikeln aufnehmen, organisieren und lagern“, erklärt Carlos Fernández, Chief Product Officer bei AutoStore.

Der PickUpPort ist eine intuitiv bedienbare Technologie, die keine umfangreiche Implementierung und Schulung erfordert. Wenn ein Kunde bei einer Online-Bestellung “Abholung im Geschäft” wählt”, fordert eine Controller-Funktion den AutoStore-Roboter auf, die bestellten Produkte an einen Port zu liefern, an dem ein Lagerarbeiter die Bestellung konsolidiert. Der Behälter mit den bestellten Produkten wird im AutoStore System eingelagert. Ist der Kunde zur Abholung seiner Bestellung vor Ort, bringt ein Roboter den Behälter mit den richtigen Produkten zum PickUpPort.

IKEA-Manager Claes Lindgren und Storebox-CEO Johannes Braith
© Storebox

Die letzte Meile in 20 Jahren

Wie die Zustellung auf der letzten Meile umweltfreundlich, schnell und unkompliziert für Logistiker und Endkund:innen erfolgen kann, haben Experten aus verschiedenen Branchen im Rahmen einer wissenschaftlichen Delphie-Studie besprochen und ihre Einschätzungen dazu abgegeben, welche Entwicklungen in Zukunft wahrscheinlich eintreten werden.

Dabei sei nicht abzusehen, dass neue Technologien die klassischen Zustellungsmöglichkeiten vollständig ersetzen. Es gebe zwar Verwendungsmöglichkeiten für Drohnen und Roboter, doch bleiben diese eingeschränkt. Es wird davon ausgegangen, dass Drohnen zum Beispiel besser in ländlichen Regionen eingesetzt werden können als in Innenstädten. Aktuell gibt es allerdings vor allem in den USA große Projekte für die Zustellung mit Drohnen. Und Roboter, die nur einen begrenzten Radius haben, werden wahrscheinlich eher in campusähnlichen Strukturen zum Einsatz kommen.

Die Experten gehen davon aus, dass das Modell der Zukunft Paketstationen sind: Ein gut ausgebautes Netzwerk an stationären Paketstation – ergänzt durch autonom fahrende Packstationen – erlaubt Logistikdienstleistenden, auf die Wünsche ihrer Kunden einzugehen. Die Stationen können flexibel beliefert werden, auch nachts, was zur Entspannung der Verkehrslage in Innenstädten beitragen kann.

Die Studie zeigt also, dass der derzeit eingeschlagene Weg der Player am Markt der letzten Meile wohl auch in Zukunft ein ähnlicher sein wird. Der Sektor werde sich allerdings durch neue Technologien und dem Trend zur individualisierten Zustellung stärker segmentiert: Je nach Waren, Kundenwünschen und Liefergebiet werden sich unterschiedliche Zustellarten etablieren.