Automatisierung in der Logistik : Cobots palettieren nun auch schwere Lasten
Viele Unternehmen sind bereits akut von einem Mangel an Fach- und Arbeitskräften betroffen: Mehr als 50 Prozent der Unternehmen sehen darin sogar die größte Gefahr für ihre Geschäftsentwicklung. Vor allem der DACH-Raum steckt mitten im demographischen Wandel, der in den kommenden Jahren immer stärkere Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben wird.
Unter anderem im Logistik- und Intralogistik-Bereich fällt es Unternehmen zunehmend schwer, ausscheidende Mitarbeitende zu ersetzen. Faktoren wie Schichtarbeit, hoher Zeitdruck und körperlich anspruchsvolle Tätigkeiten sowie das hohe Unfallrisiko lassen eine Tätigkeit in dem Bereich nicht sehr attraktiv erscheinen.
Besonders unbeliebt sind Aufgaben wie das Palettieren oder Verpacken. Offen gesagt: Schwere Lasten zu stapeln, macht nicht nur keinen Spaß, sondern ist auch körperlich belastend. Vor allem über längere Zeit hinweg steigt das Risiko arbeitsbedingter Verletzungen erheblich.
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Automatisieren für mehr Arbeitssicherheit
Hier können Roboter Abhilfe schaffen, wie eine aktuelle Studie von Universal Robots und Asepeyo aus Spanien zeigt: Rund 30 Prozent der Arbeitsunfälle in Spanien könnten durch industrielle Automation verhindert werden. Asepeyo ist eine Non-Profit-Organisation, die mit der spanischen Sozialversicherung zusammenarbeitet und sich auf die Bereitstellung von Gesundheitsdiensten und die Verwaltung wirtschaftlicher Leistungen bei u.a. arbeitsbedingten Verletzungen und Berufskrankheiten konzentriert.
Gemeinsam mit UR untersuchte Asepeyo, wie die industrielle Automatisierung die Sicherheit auf dem spanischen Arbeitsmarkt erhöhen und Arbeitsunfälle reduzieren kann. Die Analyse zeigt, dass etwa 30 % der Arbeitsunfälle durch körperliche Überanstrengung des Bewegungsapparats verursacht werden – beispielsweise durch das Heben von Lasten und sich wiederholende Tätigkeiten. Die spanische Industrie könnte mit Hilfe von Robotern bis zu 160.000 Arbeitsunfälle, die durch körperliche Überanstrengung verursacht werden, potenziell vermeiden.
Außerdem könnte die industrielle Automatisierung die Zahl der Berufskrankheiten drastisch senken. Die von Asepeyo analysierten Daten des Ministeriums für Arbeit und Sozialwirtschaft zeigen, dass im Jahr 2022 in Spanien 22.408 Berufskrankheiten gemeldet wurden. Mehr als die Hälfte (53,7 %) davon waren auf Zwangshaltungen und sich wiederholende Arbeitsbewegungen zurückzuführen.
Der UR30, seit Ende 2023 auf dem Markt, eignet sich mit seinen 30 kg Nutzlast ideal, um schwere Lasten in nahezu allen Branchen zu palettieren. Mit seinem Gewicht von nur 63,5 kg können Nutzer den UR30 auch leicht zwischen verschiedenen Arbeitszellen bewegen. Beide Roboterarme sind Cobots der neuen Generation von UR, die dank ihres speziellen Gelenkdesigns trotz der hohen Traglast kurze Taktzeiten gewährleisten. Die Anzahl der verbauten Teile wurde zudem um 50 Prozent reduziert, was die Roboter weniger störungsanfällig macht. So erfüllen sie die Anforderungen der Industrie nach nachhaltigen, modularen und anpassungsfähigen Produktionsmethoden. Davon profitieren beispielsweise Betriebe wie Ornua.
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Ornua automatisiert Palettierung mit einem UR20
Der irische Anbieter von Molkereiprodukten ist vor allem durch seine Marke „Kerrygold“ bekannt und setzt für die Palettierung auf einen UR20. Bis vor kurzem mussten in der Produktion die teilweise bis zu zwölf Kilogramm schweren Lebensmittel per Muskelkraft vom Band auf Paletten gehoben werden. Die Mitarbeitenden beklagten beim End-of-Line-Palettieren nicht nur die monotone, repetitive Tätigkeit, sondern auch die entstandenen Gelenk- und Rückenschäden. Oftmals fielen deswegen Mitarbeitende aus.
Beim Versuch, die Tätigkeit zu automatisieren, stieß Ornua jedoch auf verschiedene Herausforderungen. Eine davon waren die zehn Kilogramm schweren Käseblöcke: Sie sind schlecht zu greifen, da die überzogene Folie die Blöcke rutschig macht. Zudem sind die Formen jedes einzelnen Käseblocks unterschiedlich. Die Produkte von Ornua müssen außerdem für Qualitätsprüfer für regelmäßige Kontrollen zugänglich sein. Der UR20 hat das Unternehmen mit seiner hohen Traglast letztlich überzeugt.
Jack Cotton, Continuous Improvement Lead bei Ornua, sagt: „Als wir vom UR20 erfuhren, waren wir begeistert, da er bis zu 20 kg anheben kann“. Von Vorteil für den Betrieb ist darüber hinaus die Reichweite des Cobots von 1,75 m. Der UR20 kann so nicht nur höher, sondern auch mehr stapeln als viele andere Roboter. Um eine Lösung zu finden, die rutschigen Käseblöcke gut greifen zu können, arbeitete Ornua mit mehreren Experten zusammen: Mithilfe des Automationsunternehmen RARUK verbaute Ornua die Robotik-Palettierungslösung PE20 von Plug&Play-Komponentenhersteller Robotiq, ausgestattet mit dem UR20 und einem Vakuumgreifer von Vakuumtechnikspezialisten Schmalz. Abzüglich des Eigengewichts des Greifers kann die Anwendung damit 18 kg schwere Lasten tragen. J. Cotton sagt: „Beim Palettieren werden bei uns die meisten menschlichen Ressourcen benötigt. Wenn wir diese Aufgabe automatisieren, dann können diese Ressourcen anderweitig eingesetzt werden. Mit in die Entscheidung spielte der Aspekt der Gesundheit und Sicherheit.“
Cobot-Einsatz bei Bob’s Red Mill
Bob’s Red Mill, ein Händler von Getreideprodukten, automatisiert ebenfalls die Palettierung seiner Waren mit einem UR20. Die Aufgabe: Verschiedene Pakete mit einem Gesamtgewicht zwischen 1,8 kg und 4,5 kg müssen von einem Fließband gegriffen und anschließend in einem vordefinierten Muster angeordnet werden.
Diese körperlich mühsame Arbeit wurde bisher von vier Fachkräften im 24-Stunden-Betrieb durchgeführt. Jetzt übernimmt dies der Roboter und entlastet so die Mitarbeiter. Dank seiner 20 kg Traglast kann er zwei Kartons gleichzeitig aufnehmen und sicher abstapeln. Damit erreicht er eine Taktzeit von 7 bis 8 Paketen pro Minute.
Perspektivisch möchte der Betrieb sogar 14 Pakete pro Minute erreichen. Ist die Palette ausgefüllt, platziert der Cobot ausgestattet mit einem großflächigen Vakuumgreifer von Piab ebenfalls Zwischenlagen. Wenn sich Paketgrößen an der Anlage ändern, passen die Mitarbeitenden den Roboter selbstständig an. Mittlerweile stapelt der UR20 rund um die Uhr, schützt die Gesundheit der Mitarbeitenden und hilft Bob’s Red Mill dabei, langfristig seine Absatzziele zu erreichen.
Die Zukunft der Intralogistik ist automatisiert
Mit dem ersten kollaborierenden Roboter wurde der Grundstein für eine ganz neue Art der Automatisierung gelegt. Bis heute wächst die Branche rasant und ein Ende ist nicht absehbar – im Gegenteil: Schätzungen zufolge sind lediglich fünf Prozent der Betriebe, die von Cobots profitieren können, tatsächlich schon automatisiert.
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Unter anderem in der Intralogistik wird ihre Zahl in den nächsten Jahren stark ansteigen, denn dort gibt es eine Vielzahl an Tätigkeiten, die viel Kraft erfordern und für die sich keine Mitarbeiter finden. Leistungsstarke Cobots der nächsten Generation helfen Unternehmen dabei, ihre Prozesse effizient zu gestalten und sich zukunftsfähig aufzustellen.