Mobile Transportroboter : "Wir ziehen es vor, so wenig Autonomie wie möglich zuzulassen"
Herr Behounek, produzieren Sie bei Safelog AMR oder FTS?
Mathias Behounek Ihre Frage suggeriert, dass es einen großen technologischen Unterschied zwischen beiden Ansätzen gäbe. Von daher lautet meine Antwort: weder noch.
Wie meinen Sie das?
Behounek Der Begriff AMR ist irreführend. Im Grunde sind FTS und AMR je nach Setup aus technologischer Sicht nahezu identisch. Beides sind fahrerlose Fahrzeuge, die über mehr oder weniger autonome Funktionen verfügen. Unsere Geräte fahren überwiegend spurgeführt, sind aber auch in der Lage, frei zu navigieren. Die Klassifizierung in FTS und AMR macht hier überhaupt keinen Sinn. Wir sprechen bewusst von mobilen Transportrobotern, um die medial aufgebaute Grenze zwischen den Systemen aufzubrechen. Denn die Entscheidung, ob eine autonome oder spurgeführte Navigation eingesetzt wird, sollte nicht aufgrund von Begrifflichkeiten getroffen werden. Es zählt allein, welcher Grad an Autonomie zum jeweiligen Anwendungsfall passt.
Geben Sie uns bitte ein Beispiel.
Behounek Die Aufgabe definiert, wie viel Freiheit man hat, und daraufhin muss man das System auswählen. Das autonomste System ist nicht zwangsläufig das beste. Nehmen wir die Automobilindustrie: Hier ist die Taktfertigung auf die Sekunde genau geplant. Die Transportroboter liefern Komponenten und Bauteile nach dem Perlenketten-Prinzip in einer fest definierten Reihenfolge an das Band. Diese darf unter keinen Umständen verändert werden, da alle Bauteile unabänderlich einem bestimmten Montageprozess zugeordnet sind. Ja, deshalb möchte man keine unberechenbaren Faktoren, die den Prozess stören können, wenn z. B. ein Transportroboter eigenständig ein Ausweichmanöver ausführt und damit den Linienverkehr durcheinanderbringt. Systemstabilität und Verfügbarkeit stehen immer an erster Stelle. Dabei geht es immer um die exakte Vorhersage, wann ein Fahrzeug ankommt. Selbst wenn man das autonomste System der Welt nimmt, ist der Output des Prozesses immer noch der gleiche. Und das System muss sicherstellen, dass es beispielsweise alle 72 Sekunden ein Produktionsmittel abliefert. Die verlässliche und planbare Versorgung ist aber auch in anderen Applikationen wie in Logistikzentren, in der Serienfertigung und in der Lebensmittelindustrie unerlässlich.
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Aber ist es nicht von Vorteil, wenn ein Roboter einem Hindernis ausweicht oder frei navigiert, um seine Aufgabe zu erfüllen?
Behounek Mit dem Begriff AMR werden häufig überhöhte Erwartungen verbunden. Die autonome Navigation ist kein Allheilmittel für fehlerhafte Prozesse. Viele Situationen lassen sich zwar durch Ausweichen oder Umfahren lösen, aber wenn ein Roboter auf eine Palette stößt, die da nicht hingehört, oder das vielzitierte Fahrrad den Weg versperrt, stimmt etwas in den Abläufen nicht. Ja, hier gilt es anzusetzen. Wenn ein Fahrzeug stoppt, wird der Fehler offensichtlich. Und es muss sichergestellt werden, dass dieser nicht wieder vorkommt. Ein Ausweichen kaschiert nur fehlerhafte Prozesse und verschlimmert sie unter Umständen sogar, wenn andere Geräte plötzlich ihre Fahrwege wegen eines ausweichenden Roboters ändern müssen. In anderen intralogistischen Prozessen wie Goods-to-Person-Applikationen können bestimmte autonome Funktionen aber durchaus Sinn ergeben.
Woran machen Sie das fest?
Behounek Im C-Teile-Lager hat man mehr Freiheit. Es gibt häufig kein definiertes Wegenetz, eine frei befahrbare Fläche und die Transportaufgaben sind nicht restriktiv getaktet. Stattdessen stehen Ziele, wie das schnelle Auffinden von Waren, im Fokus. Außerdem müssen die Roboter mit vielen Menschen interagieren, die z. B. den Fahrweg kreuzen oder sogar mit dem Roboter kooperieren. Hier möchte man eine hohe Flexibilität, auch um die Sicherheit der Mitarbeiter zu garantieren. Dazu braucht man einen höheren Autonomiegrad. Aber außerhalb dieser Anwendungsfälle ziehen wir bei Safelog es vor, so wenig Autonomie wie möglich zuzulassen. Unser Anspruch ist es, die gestellte Aufgabe mit möglichst wenig überflüssiger Technologie zu erfüllen. Das spart Kosten – sowohl bei der Investition als auch im Betrieb.
Dabei scheint es doch so, dass immer mehr AMR in den Markt drängen.
Behounek Nur weil ein Marketingbegriff häufig verwendet wird, heißt das nicht, dass das mit der Anzahl an verkauften Robotern korreliert. Die Stückzahlen bei Systemen, die versuchen, die Aufgabenstellung mit einfachen Mittel zu lösen, sind deutlich höher. Wir produzieren beispielsweise circa 1.000 Geräte im Jahr. Wir sollten aber immer eines beachten: Die AGV-Industrie ist noch keine Großindustrie. Es werden in Europa noch keine hunderttausende Roboter im Jahr verkauft. Ich halte es daher für kontraproduktiv, den Eindruck zu erwecken, wie einfach, schnell, reibungslos und autonom sich Projekte umsetzen lassen, ohne den Beweis zu erbringen, dass die Systeme stabil laufen. Viele Projekte scheitern, weil die Erwartungen des Anwenders an die vermeintliche Innovation nicht erfüllt wurden. Wir wollen unseren Kunden heute helfen, mit unseren Systemen erfolgreich zu sein. Und zwar so stabil, einfach und kostengünstig wie möglich. Dafür kommt es auf ein realistisches Erwartungsmanagement an. Letztlich ist das Thema AMR eine Diskussion einer kleinen Community, die sich über die Abkürzung eines Buchstabens unterhält.