Güterverkehr : Der Güterverkehr kommt nicht auf Schiene

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© Ursula - stock.adobe.com

Das Zentrum für Transportwirtschaft und Logistik (ZTL) hat eine aktualisierte Studie zur Dekarbonisierung und zum Modal Split im Güterverkehr veröffentlicht. Diese Studie, die ein Update zur Untersuchung aus den Jahren 2020/21 darstellt, analysiert dabei die aktuellen Trends und bietet Prognosen bis ins Jahr 2040.

Die Parole "Mehr Schiene, weniger Straße" hat dabei auch unter der grünen Klimaministerin Leonore Gewessler dem Realitätscheck im Güterverkehr nicht standgehalten, wie Verkehrsexperte und Studienautor Sebastian Kummer vorrechnete. "Die Verlagerungshoffnungen stellen sich immer mehr als Irrtum heraus", so der Leiter des Institutes für Transportwirtschaft und Logistik an der WU Wien. Die weiteren Verlagerungsziele des Klimaministeriums seien unrealistisch, es bestehe dringender Handlungsbedarf. Es sei gefährlich, der Realität nicht ins Auge zu sehen, sagt Kummer: "Der Modal-Split-Anteil ist einfach unrealistisch, das müssen wir anerkennen und dementsprechend handeln."

Die Studie zeigt, dass der Marktanteil der Schiene und des Binnenschiffs von 2019 bis 2023 weiter zurückging. Während die Verkehrsleistung auf der Straße stabil blieb bzw. leicht anstieg, verzeichneten Schiene und Binnenschiff deutliche Verluste. Konkret sank der Modal-Split-Anteil der Schiene von 27,7% im Jahr 2019 auf 26,6% im Jahr 2023, und der des Binnenschiffs von drei auf 1,6 Prozent.

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Das sind die Herausforderungen für den Schienengüterverkehr

Die Studie identifiziert mehrere wesentliche Herausforderungen für den Schienengüterverkehr: Die Nachfrage nach kleineren, individuellen Sendungen steigt, während schienenaffine Massengüter abnehmen. Technologische Nachteile wie lange Innovationszyklen und unterschiedliche Standards in Europa behindern die Entwicklung. Zudem führen die hohe Auslastung der Schieneninfrastruktur und der Vorrang für den Personenverkehr zu Engpässen im Güterverkehr. Der Zustand der Schieneninfrastruktur in Deutschland und Osteuropa sowie administrative Hürden stellen weitere Probleme dar.

"Es ist noch viel zu tun, es gibt einige Qualitätsengpässe und -probleme", so Kummer, und spielt auch auf die langen Einführungszeiträumen von Innovationen wie der Digitalen Automatischen Kupplung an. "Ich habe wenig Hoffnung für die Bahn", sagt Kummer. "Ich verfolge das seit 30 Jahren, und da hat sich die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn in den letzten Jahren eher verschlechtert. Ich sehe nicht, dass sich das verändert." Außerdem würden moderne Fahrzeuge im Güterverkehr - im Gegensatz zum Personenverkehr - fehlen. Letztendlich befinde sich der Bahn-Güterverkehr in Konkurrenz mit dem Personenverkehr auf der Schiene, und letzterer werde von der Politik priorisiert.

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Verkehrsexperte Sebastian Kummer von der WU Wien
WU-Professor und Verkehrsexperte Sebastian Kummer: "Die Verlagerungshoffnungen stellen sich immer mehr als Irrtum heraus" - © WU Wien

Studie prüft drei Szenarien

Die Zukunft des Güterverkehrs wird in der Studie anhand von drei Szenarien bis 2030/2040 betrachtet: Szenario 1 sieht die Beibehaltung des Modal-Splits von 2019 vor, Szenario 2 geht von einem Wachstum der Schiene um 2,2 Prozent pro Jahr aus, und Szenario 3 zielt auf einen 40-prozentigen Schienenanteil bis 2040 ab. Die Ergebnisse der Szenarioanalysen zeigen jedoch, dass selbst bei optimistischem Wachstum der Straßengüterverkehr der dominierende Verkehrsträger bleibt. Ein 40-prozentiger Schienenanteil bis 2040 erfordert ein unrealistisches Wachstum der Schiene um hundert Prozent.

"Bei allen Szenarien ist der Straßenverkehr der dominierende Verkehrsträger", so der Studienautor. Daher sei es dringend notwendig, den Straßenverkehr zu dekarbonisieren. Speditionen, Verlader und Straßengüter-Verkehrsunternehmen seien bereit für alternative Antriebe, so Kummer, das müsse die neue Regierung nun in Angriff nehmen. Kummer nannte einige Beispiele aus der Praxis wie etwa Ikea, die in Österreich Vorreiter bei der Dekarbonisierung des Verkehrs im Konzern sind, oder etwa auch MPreis. Diese Unternehmen würden auch die fehlende Unterstützung der Politik beklagen, so Kummer.

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Hoffnungen, dass E-Fuels vor 2030 eine Rolle im Straßenverkehr spielen könnten, zerstreute der Universitätsprofessor. Man brauche einen transparenten Plan wie Alternativenergien im Modalmix, also der Abstimmung der Verkehrsträger, eingesetzt werden - und wie die Konkurrenz zu anderen Wirtschaftsbereichen aufgelöst wird.

Insgesamt müsse der Energieverbrauch der Lkw gesenkt werden, wobei: "Ohne Förderungen wird der Umstieg nur mit massiven Zwangsmaßnahmen gelingen", so der Wissenschafter."Wir brauchen dringend und schnell den Aufbau einer Lade- und Tankstruktur für die Elektrifizierung und Wasserstoff." Im Schienenverkehr bedürfe es mehr Wettbewerbsfähigkeit und Innovation, nach wie vor gebe es viel zu viele verschiedene Systeme in Europa. Die Binnenschifffahrt sei überhaupt nahezu untergegangen.

Die Rail Cargo Group, also der Güterbereich der ÖBB, sei gut aufgestellt und gut geführt, aber es wachse der Güterverkehr stark, gleichzeitig fehle es europaweit an Innovation und Abstimmung auf der Schiene. Und der kleinteilige Stückgutverkehr - Stichwort Onlinehandel - komme der Bahn nicht entgegen. Dazu kämen Qualitäts- und Quantitätsprobleme beim Zugmaterial, obendrein habe sich die Politik viel zu sehr auf die großen Tunnelprojekte wie Brenner und Koralm konzentriert. Und zu guter Letzt fehle es an erfahrenen Lokführern.

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Die größten Co2-Einsparungspotenziale im LKW-Güterverkehr

"Klimaneutralität kann, wenn überhaupt, erst 2050 und auch dann nur bei Ausschöpfung aller verfügbaren Potenziale gelingen." Denn, so Kummer: "Anhand der Fakten wird erneut deutlich, dass die Prognosen, auf deren Grundlage Klimaschutzministerium und Regierung planen und entscheiden, eher deren Wunschdenken als der Realität entsprechen."

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Er sieht bis ins Jahr 2030 die größten CO2-Einsparungspotenziale in der Batterieelektrik (18 Prozent) im Nahverkehr und im Einsatz von HVO (hydriertes Pflanzenöl, zehn Prozent) auf der Langstrecke, während Wasserstoff (fünf Prozent) noch eine eher untergeordnete Rolle spielen wird. "Im Zeitraum bis 2040 werden die Einsparpotenziale der Batterieelektrik massiv ansteigen, Wasserstoff wird mit den ebenfalls steigenden Einsparpotenzialen von HVO gleichziehen", erwartet Kummer.

Basis für das Zahlenmaterial des Verkehrsexperten ist eine Studie im Auftrag des Zentralverbandes Spedition & Logistik. Die Interessenvereinigung meinte heute, dass die Entwicklung der Verkehrsträger "in direktem Widerspruch zu den Verlagerungszielen des für Klimaschutz und Mobilität zuständigen Bundesministeriums" stehen.

Verbands-Präsident Alexander Friesz betonte: "Es ist entscheidend, dass die Politik jetzt handelt und klare, langfristige Rahmenbedingungen schafft." Gemeint sei eine "verbindliche Maßnahmen-Roadmap zur Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs", die gemeinsam mit der Logistik-Branche zu erstellen sei.