Wirtschaft : Die österreichische Logistikbranche im Querschnitt

Cargo Shipping and Delivery from Austria isolated on white background
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Die vier Männer am Podium des neuen Mediacenters der Industriellenvereinigung in Wien – Alexander Klacska, Obmann Transport und Verkehr der WKO, Wolfram Senger-Weiss, Vize-Präsident des Zentralverbands Spedition und Logistik, Peter Koren, Vize-Generalsekretär der Industriellenvereinigung und Studienleiter Christian Helmenstein vom Economica Institut – waren sich einig: Es war wichtig, nun aktuelle, tatsächliche und fundierte Zahlen zur Bedeutung der Logistik-Wirtschaft in Österreich zu haben – und man war ob der tatsächlichen Bedeutung doch positiv überrascht. „Das sind tolle Zahlen, vor allem im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, die über einen Seehafen verfügen“, kommentiert etwa Alexander Klacska die Ergebnisse der Studie.

Demnach liegt die Logistik mit einer direkten Bruttowertschöpfung von 14,7 Milliarden Euro 2021 im heimischen Branchenvergleich auf Rang 6 von 74 – und übertrifft damit in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung den Einzelhandel. Inklusive der Vorleistungen und der induzierten Effekte entsteht ein totaler Wertschöpfungseffekt von 20,9 Milliarden Euro. Das entspricht 5,8 Prozent der Gesamtwirtschaft, damit liegt die Logistik in einer Größenordnung der Wertschöpfung der Dienstleistungen des Gesundheitswesens.

Zusammenfassend erwirtschaftet allein der Logistiksektor damit jeden 17. Euro in Österreich. „Die Bedeutung wird oftmals unterschätzt, weil die Logistik – bis auf den LKW auf der Autobahn – so wenig sichtbar ist“, so Studienleiter Helmenstein, und nennt als Beispiel etwa Bereiche wie die Intralogistik oder auch die Entsorgung von Abfall. Die Logistik ist dabei für 4,4 Prozent oder 7,5 Milliarden Euro der Steuern und Abgaben verantwortlich.

Warum gab es bisher keine umfassende Darstellung der volkswirtschaftlichen Bedeutung der österreichischen Logistik?

Bisher wurde die tatsächliche volkswirtschaftliche Bedeutung und Leistung des Logistiksektors in Österreich nicht vollständig erfasst, da die Logistik ein großer Teil vieler unterschiedlicher Wirtschaftssektoren ist. Diese Lücke wurde nun durch die Erstellung des „Satellitenkontos Logistik“ geschlossen.

Auch in Sachen Beschäftigung ist die Logistik-Branche intensiv – beim direkten Beschäftigungseffekt liegt die Logistik etwa gleichauf mit der Tourismusbranche: In Zahlen sind dies über 250.000 Arbeitskräfte. Dabei kommen allerdings auf 100 Beschäftigte, die direkt mit dem Sektor verbunden sind, noch einmal 31 Beschäftigungsverhältnisse, die durch die Logistik geschaffen bzw. gesichert werden. Der totale Wert entspricht 5,4 Prozent der Gesamtbeschäftigung. „Das sind 85 Prozent der Bevölkerung im Burgenland – ohne Babys sind es sogar 100 Prozent“, zieht Studienleiter Christian Helmenstein einen Vergleich.

Apropos Bundesländer: Welche haben denn die höchsten Wertschöpfungseffekte in der Logistik? Nicht überraschend ist das Wien – und die „logistische Peripherie“ in Niederösterreich sowie die starken Industrie-Länder Steiermark und Oberösterreich.

v.l.: Wolfram Senger-Weiss, CEO von Gebrüder Weiss und Vize-Präsident des Zentralverbands Spedition & Logistik, Alexander Klacska, CEO von Klacska Transporten und Obmann der Sparte Transport & Verkehr der WKO, Peter Koren, Vize-Generalsekretär der Industriellenvereinigung und Studienleiter Christian Helmenstein (Economica)

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„Investitionsherausforderungen werden größer“

Im Durchschnitt investiert die heimische Logistikbranche pro Jahr etwa 1,1 Milliarden Euro (2015: 1,05 Mrd. Euro, 2019: 1,2 Mrd. Euro) . Seit 2016 erhöhen sich die Investitionen jährlich um acht bis zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Laut Studienleiter Helmenstein fließen diese vor allem in digitale und Lagertechnologien. „Baumaßnahmen in der Logistik sind dabei dezidiert nicht eingerechnet“, konkretisiert Helmenstein.

Die Studie identifiziert dabei drei große Herausforderungen, die weiterhin hohe Investitionen notwendig machen. Die erste betrifft die Kapitalkostenentwicklung: So werden etwa ungenutzte Auslastungspotenziale von Fahrzeugen oder Lagern teurer. Nicht überraschend ist die zweite große Herausforderung die Mobilitätswende bzw. die Dekarbonisierung des Verkehrs. Knapp 70 Prozent der Güterverkehrsleistung wird über die Straße – und hier vorwiegend durch Verbrennungsmotoren – erbracht.

„Eine Umstellung auf CO2-arme Güterbeförderung setzt finanzierbare alternative Antriebstechnologien und eine großflächig verfügbare Energie-Infrastruktur voraus. Die aktuellen Rahmenbedingungen werden diesen Anforderungen noch nicht gerecht. Vor diesem Hintergrund zeichnet sich eine weitere Kostenbelastung der Logistikbranche ab“, so Helmenstein.

Man erwarte sich die Umsetzung der von der Regierung bereits zugesagten Förderungen, so die Branchenvertreter. „Die Logistik ist antriebstechnisch neutral“, so Wolfram Senger-Weiss. Man brauche eine sinnvolle Kombination aller verfügbaren Technologien – E-Fuels, Elektromobilität sowie Wasserstoff. Da bereits konkret versprochene Förderungen fehlten, würden viele Investitionen ins grenznahe Ausland fließen, so der Logistik-Manager. Vor allem in Sachen Wasserstoff sei die europäische Selbstwahrnehmung stark verzerrt, so Helmenstein. Denn es gebe kaum Wasserstoff-Know-how in Europa, die Blockbuster-Technologien kämen aus Asien. Österreich müsse eher diese Technologien kombinieren und wieder in Nischen Wettbewerbsfähigkeit generieren.

Konkret bemängeln die Branchenvertreter die lange Verzögerung des Masterplans Gütermobilität, der seit Beginn der Legislaturperiode mehrfach angekündigt und immer wieder verschoben wurde. Auch das mehrfach verschobene Förderprogramm zur Umstellung von Nutzfahrzeugflotten auf emissionsfreie Antriebe (ENIN) sei nach wie vor ausständig, was Investitionen noch weniger planbar mache, so die Kritik.

Die dritte große Herausforderung besteht beim Thema Fachkräftemangel, denn die Beschäftigungszahlen sinken, während das Transportaufkommen weiterhin steigt. Zusätzlich steht eine Pensionierungswelle der so genannten „Baby Boomer“ an, die die Situation noch weiter verschärft. Dabei sei die Logistik heute viel mehr als nur Gütertransport, es gehe viel mehr um Planung und Daten, um komplexe Prozesse. „Die Berufsbilder haben sich stark verändert, die Branche ist deutlich attraktiver und interessanter geworden“, sagt Wolfram Senger-Weiss. Alexander Klacska sieht für diesen Bereich einige Lösungsansätze, wie etwa frühere Qualifizierungen etwa für LKW-Lenker und -Lenkerinnen. Mehr dazu erklärt er im Interview mit dispo.cc.

Logistik und der Klimaschutz

Grundsätzlich wünsche sich die Branche vor allem in der Klimapolitik ob ihrer Bedeutung mehr Gehör. Denn man sei in punkto Klimaschutz und Energiewende Teil der Lösung, wie Klacska und Senger-Weiss betonten. Man setze sich stark für einen technologieoffenen Zugang ein und auf Wasserstoff. Sie kritisierten, dass die Politik beim Energieträger Wasserstoff zu sehr auf die Güterproduktion und zu wenig auf die Mobilität schaue.

Konkrete Kritik äußerte Klacska an der grünen Ministerin Leonore Gewessler. "Ein Verkehrsministerium gibt es nicht, wir haben ein Klimaministerium und dort sind die Türen verschlossen", so Klacska, der, wie er sagte, mitdiskutieren wolle. Um die Klimaziele im Verkehrssektor erfüllen zu können, brauche es offene Türen und eine Diskussionsbasis.

Der Verkehrssektor, zu dem auch der Gütertransport gehört, zählt zu den Hauptverursachern der Klimakrise. Während in anderen Sektoren die CO2-Emissionen stagnieren oder sinken, sind sie im Verkehr in Österreich seit 1990 um über 50 Prozent gestiegen.

Die Logistik gilt auch als starker Treiber der Bodenversiegelung, insbesondere entlang von Autobahnen im Umland der Städte Wien, Graz und Linz. Allein 2022 wurden laut Zahlen von Immobilienexperten in diesen drei Logistik-Hotspots 146.000 Quadratmeter an Logistikflächen fertiggestellt, wovon der Großteil, 96.000 Quadratmeter, auf die Metropolregion Wien entfiel.

Klacska erklärte, dass der Flächenbedarf der Logistik sukzessive sinke. Die Gründe hierfür seien Hochregallager mit weniger Platzbedarf und eine höhere Nutzung von Bestandsflächen. Helmenstein unterstrich, dass auch beim Straßenbau der Bodenverbrauch nicht mehr im Mittelpunkt stehe, da es kaum neue Straßen, sondern eher Umfahrungen und Spurerweiterungen brauche.