Arbeitskräftemangel und Technologie : "Eine komplette Automatisierung kann nicht funktionieren"
Wie kann dem Fachkräftemangel mit neuen Technologien und innovativen Produkten begegnet werden? Welche Rolle spielen Künstliche Intelligenz, Schnellqualifizierung, Skilltransfer und Unternehmenswerte wen es darum geht, Mitarbeiter rasch zu qualifizieren und gleichzeitig Prozesse und Wissenstransfer entlang der Wertschöpfungskette zu digitalisieren?
Das waren die Ausgangsfragen, die Experten aus Industrie, Logistik, Forschung und Bildung auf Einladung des CEO von ivii, Peter Stelzer, und der Independent Logistics Society diskutierten. Zwar habe ivii mit dem "Smartdesk" und „Qualification as a Service“ Lösungen am Markt, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Doch welche Bedürfnisse und Lösungen gibt es in den verschiedenen Bereichen der Industrie, der Logistik, der Forschung und der Bildung?
Knapp-CEO Gerald Hofer führt zuerst das Thema Effizienz ins Treffen: „Es ist nicht alles effizient, was wir digital machen. Es wird erst dann effizient, wenn KI und Digitalisierung genutzt werden, um eine neue Qualität von Arbeitsplätzen zu schaffen.“ Das sehe man auch bei vielen Kunden in der Intralogistik und der hohen Mitarbeiterfluktuation in den einfacheren Lagerbereichen. Daher gehe es vermehrt um schnelle Qualifizierung innerhalb weniger Tage.
Hier eigne sich etwa eine Lösung wie der ivii Smartdesk. Er führe Mitarbeiter durch den Montageprozess und ermögliche es Unternehmen wie Pankl, jährlich 160.000 Getriebe zusammenbauen. "Der Begriff Qualification as a Service – Lernen beim Tun, trifft exakt die heutigen Anforderungen der Unternehmen“, so Hofer. „Durch die fehlerfreie Führung durch Arbeitsprozesse können Mitarbeiter schnell eingeschult werden und Berufe ausüben, die sie nicht von der Pike auf gelernt haben", ergänzt ivii-CEO Stelzer.
Werden KI und Automatisierung bereits in der gesamten Wertschöpfungskette eingesetzt? Hofer: „Wir brauchen die Automatisierung, um unseren Wohlstand zu erhalten. KI und Automatisierung werden in den verschiedensten Bereichen der Logistik eingesetzt. Unsere Roboter sind weltweit vernetzt, tauschen untereinander Daten aus und lernen durch KI mit Veränderungen umzugehen, oder auf Sonderfälle zu reagieren. Je höher der Automatisierungsgrad, desto wichtiger sind qualitativ hochwertige Daten.“
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"Auf Expertenwissen angewiesen"
Wie werden KI und Digitalisierung in Lager und Produktion eingesetzt? „Gerade in der Logistik- und Produktionsplanung hat die Komplexität zugenommen. Die Herausforderung besteht darin, möglichst schnell das passende System zu identifizieren oder die Daten entsprechend automatisiert aufzubereiten. Dabei sind wir auf das Wissen und die langjährige Erfahrung von Experten angewiesen“, erklärt Martin Riester, Geschäftsbereichsleiter Logistik und Supply Chain Management bei Fraunhofer Austria Research. Um dieses Wissen zu kapseln und auch für nachfolgende Generationen verfügbar zu machen, gelte es mit Hilfe von KI entsprechende Algorithmen zu entwickeln, die Bedarfe berechnen, beschreiben und prognostizieren können und dann auch den Unternehmen als „Tools“ zur Verfügung gestellt werden können.
„Allein aus Wirtschaftlichkeitsgründen kann eine komplette Automatisierung nicht funktionieren“, antwortet Riester auf die Frage ob es das Ziel jeder optimierten Lagerlogistik sein müsste, ohne Menschen auszukommen. „Es wird immer eine Koexistenz von Menschen und Maschinen geben. Denn KI ist nicht kreativ und kann nicht kombinieren. Automatisieren dort, wo es sinnvoll ist. Und den Menschen dort einsetzen, wo er seine Fähigkeiten entfalten kann“, führt er weiter aus. Eine Herausforderung, die tatsächlich real sei, ist die Datenverfügbarkeit. Sie sei bei weitem nicht so gut, wie sie propagiert wird. Eine automatisierte Datenaufbereitung funktioniere umso besser, je besser die Daten sind.
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„Sei es der IT-Spezialist, oder im handwerklichen Bereich der Zerspanungstechniker – einen gewissen Fachkräftemangel in bestimmten Positionen hatten wir in den letzten Jahren immer. Nun hat sich der Fachkräftemangel hin zu einem Mitarbeiter:innen-Mangel entwickelt“, meint auch Harald Egger, Vice President Legal & Head of HR Pankl Racing Systems. Für gewisse Positionen stünden nicht mehr ausreichend Ressourcen zur Verfügung. „Unternehmen sollen diese Krise als Chance nutzen, in die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren oder auch Veränderungsprozesse innerhalb der Unternehmenskultur vorantreiben. Wichtig dabei ist, kein Cultural Washing zu betreiben, sondern authentisch zu bleiben“, ist er überzeugt. Qualification as a Service – der Begriff ist bei Pankl Racing Systems sehr präsent. Im Pankl Getriebewerk ist der ivii smartdesk schon seit Jahren im Einsatz. Egger: „Wir konnten damit definitiv Arbeitsplätze schaffen. Der ivii smartdesk ist ein gutes Beispiel dafür, was Technik leisten kann, im Zusammenspiel mit dem Menschen sehr gut funktioniert und eine positive Wechselwirkung hat.“
Laut Patrick Siebert, Influencer KI, AI Marketing Spezialist und Betreiber eines YouTube-Kanals mit 13.500 Follower, stehen wir vor einer neuen Form der Wissensvermittlung: „Durch den Zugang zu weltweitem Wissen in Kombination mit KI, die zunehmend auch Fähigkeiten transportieren kann, erleben wir eine Revolution im Skilltransfer. Mit KI und neuen Lehr- und Lernsystemen können wir Kompetenzen und Qualifikationen auf ganz neue Weise in die Unternehmen bringen.“ Kein Unternehmen, keine Universität, keine Branche komme an KI vorbei. „Im Moment wird CHAT GPT noch von vielen unterschätzt. Mit KI kommt eine Revolution auf uns zu und jedes Unternehmen muss sich die Frage stellen, wie kann das mein Geschäftsmodell gefährden, wie kann ich diese Technologie nutzen oder wie kann ich meine Mitarbeiter besser qualifizieren und Wissen innerhalb des Unternehmens transferieren“, so Siebert. Wissensaufnahme, Mitarbeiterqualifizierung und gleichzeitig Qualitätskontrolle: Der ivii smartdesk zeige, wie man Skills über KI transferieren und zur Unterstützung der Mitarbeiter einsetzen kann.
Generation Z gar nicht mehr analog
„Die Bedürfnisse der auszubildenden Generationen haben sich verändert“, so Michael Terler, Forschung & Lehre FH Campus 02, über die Generation Z – die erste Generation, die keine rein analoge Welt mehr kennt. Die ständige Nutzung digitaler Tools gehöre zum Alltag und verändere den Zugang zu Technologien, aber auch die Ausbildung.
Hat Work-Life-Balance für die Generation Z einen besonderen Stellenwert? Die Generation Y, die zwischen 1983 und 2004 geboren wurde, bringt Arbeit und Freizeit noch gut in Einklang. Die Generation Z sei sensibler. Sie will mehr trennen, mehr abschalten. Informationsüberfluss und ständige Vernetzung seien Gründe dafür. Darauf müssen Unternehmen reagieren und attraktive Lösungen finden. Denn noch vor einem guten Gehalt wollen junge Menschen vor allem eines, ihre Bedürfnisse berücksichtigt wissen. Dazu gehören ein gutes Arbeitsklima und sinnstiftende Arbeit.
Schließlich kommt auch das Thema "ungenutzte Arbeitskräften" auf: "Kinderbetreuung spielt eine wesentliche Rolle, um auch gut ausgebildete und qualifizierte Frauen vermehrt für Vollzeit-Jobs zu gewinnen. Sie ist ausschlaggebend, um dem Fach- und Arbeitskräftemangel ein Stück weit entgegenzuwirken, gleichzeitig Frauen Fairness und Chancengleichheit zu erhöhen und den Gender Pay Gap zu verringern", erklärt Nina Zechner, stellvertretende Geschäftsführerin der IV Steiermark, abschließend.