Zusammenarbeit : "Strategische Partnerschaften haben massiv geholfen, Herausforderungen zu bewältigen"
Hermes hat in seiner Studie „Kollaboration in der Supply Chain“ 150 Verantwortliche aus Logistik und Supply Chain Management zur Zusammenarbeit in der Lieferkette befragt. Zwei Drittel sehen Kooperation und Datenaustausch als entscheidende Faktoren für eine risikoarme Supply Chain. Als besonders erfolgsentscheidend werden Faktoren bewertet, welche eine bessere Übersicht innerhalb der Lieferkette, einen höheren Effizienzgrad sowie eine präzisere Koordination von Abläufen versprechen. Bei der Umsetzung stehen die Unternehmen jedoch technologischen und personellen Hemmnissen gegenüber.
65 Prozent sin der Meinung, dass Effizienzsteigerungen in der Supply Chain zukünftig nur durch Kooperationen und den Datenaustausch mit Kunden und Lieferanten möglich sein werden. In größeren Unternehmen mit 250 bis 1.000 Beschäftigten teilen sogar 100 Prozent der Befragten diese Einschätzung. Rund sieben von zehn der Unternehmen (68 Prozent) geben an, in ihren Beschaffungsprozessen bereits auf intensive Kooperation mit Geschäftskunden und Lieferanten zu setzen. Über alle Unternehmensgrößen hinweg räumt jedoch etwa die Hälfte (55 Prozent) der Unternehmen ein, das Potenzial kollaborativer Prozesse sei zwar bekannt, werde aber noch nicht voll ausgeschöpft.
Erfolgsentscheidend: Kommunikation, Vernetzung und digitale Steuerung
Als Vorteile der kollaborativen Zusammenarbeit bewerten Unternehmen besonders jene Faktoren, die mit einer guten Vernetzung der Akteure über Unternehmensgrenzen hinweg assoziiert sind. So sprechen etwa neun von zehn Supply Chain-Verantwortlichen (88 Prozent) dem persönlichen Kontakt und Austausch zwischen den verschiedenen Partnern eine sehr große Bedeutung zu. Bei Unternehmen mit 50 bis 250 sowie 250 bis 1.000 Mitarbeitenden bestätigen 89 bzw. 83 Prozent der Befragten die große Bedeutung von übergreifender Kommunikation in der Lieferkette.
Effiziente Steuerungstools wie IT-Plattformen für die effiziente Zusammenarbeit innerhalb der Lieferkette bewerten vor allem größere Unternehmen mit 250 bis 1.000 Beschäftigten als erfolgsentscheidend (83 Prozent). Über alle Unternehmensgrößen hinweg sagen das 67 Prozent. Auch die Vermeidung von Doppelaktivitäten und die Nutzung von Synergien hat eine sehr große Bedeutung: Bei Unternehmen mit 50 bis 250 Mitarbeitenden bestätigt dies etwa die Hälfe der Befragten, bei Unternehmen mit 250 bis 1.000 Mitarbeitenden sind es sogar 67 Prozent.
Die Wirkung kollaborativer Zusammenarbeit auf die Sichtbarkeit innerhalb der Lieferkette halten die meisten Entscheider*innen ebenfalls für besonders relevant: Dreiviertel der Befragten schätzen eine erhöhte Transparenz durch die gemeinsame Sicht auf die Lieferkette als erfolgsentscheidend ein. Bei Unternehmen mit 250 bis 1.000 Mitarbeiter*innen bestätigen das sogar 83 Prozent. „Transparenz ist sowohl die Voraussetzung als auch das Ergebnis kollaborativer Prozesse – besonders, wenn sie digital unterstützt werden“, weiß Moritz Gborglah, Division Manager und Experte für digitale Transformation bei Hermes International, einem Geschäftsbereich von Hermes Germany, aus der Zusammenarbeit mit Kundenunternehmen. „Das Teilen von Daten und Informationen ermöglicht eine gemeinsame Steuerung, die gemeinsame Nutzung begünstigt wiederum das Sammeln von qualitativ hochwertigem Datenmaterial. So können kooperative Prozesse fortlaufend optimiert werden.“
Miba, Agrana und Palfinger forcieren Lieferantenbeziehungen
Dispo hat die Industriebetriebe Agrana, Miba und Palfinger nach ihren Beschaffungsstrategien gefragt. Agrana etwa hatte in den letzten Jahren zunehmend Schwierigkeiten, aus China zu sourcen: "Es war für mein Team eine große Herausforderung, die Versorgung der Werke aufrecht zu erhalten, die waren mehr als zwei Jahre nicht mit dem Einkauf beschäftigt. Im Prinzip ging es nur darum, den Transport zu organisieren“, erklärt Agrana-Fruit-Geschäftsführer Michael Frey.
„Was man dabei gesehen hat: Es ist sehr wichtig mit strategischen Partnerschaften zu arbeiten. Es ist uns gelungen, keines unserer Werke jemals out of stock zu setzen“, so der Agrana-Manager. Es habe sich bezahlt gemacht, in den letzten zehn bis 15 Jahren nicht über Händler oder auf dem Spotmarkt zu kaufen, sondern mit strategischen Partnerschaften zu arbeiten. „Damit war es uns am Ende des Tages auch möglich, die Waren zu erhalten. Verspätet und mit sehr viel Aufwand – aber es hat funktioniert.“
Auch vor allem der Ukraine-Krieg hat für Agrana zusätzliche Herausforderungen gebracht: „Wir konnten zwar die Rohstoff-Versorgung aus der Ukraine sicherstellen, ein product flow wie vor dem Krieg war aber nicht möglich – speziell was Transportkapazitäten betrifft. Aber auch hier muss man sagen: strategische Partnerschaften haben massiv geholfen, diese Herausforderungen zu bewältigen“, erklärt Frey. Man habe auch gemerkt, mit welchen Lieferanten Agrana in Zukunft nicht mehr arbeiten werde.
Palfinger hat mit Beginn der Corona-Pandemie begonnen, den Fokus auf strategische Partnerschaften zu legen. „Wir forcieren eine Strategie, mit der wir versuchen die Lieferanten zu bündeln und mit diesen intensiver und langfristiger zusammenzuarbeiten. Wir setzen auf lange, strategische Partnerschaften, bei denen wir uns gegenseitig systemtechnisch voll integrieren, Planungen austauschen und auch gemeinsam über Investitionen diskutieren. Dadurch können wir sowohl die Größeneffekte nutzen, als auch die Zusammenarbeit weiter vertiefen“, berichtet Gernot Harm, verantwortlich für das Global Supply Chain Management bei Palfinger.
Miba wiederum durchleuchtet seine Lieferanten in Sachen CO2-Emissionen. Bis 2040 will der Konzern emissionsfrei arbeiten – „und im Zuge dessen gehen wir auch auf unsere Lieferanten zu und fangen step by step an, sie auch in unsere CO2-Reduktionspläne mit zu integrieren. Wir haben die großen CO2-Verursacher in unserer Lieferkette identifiziert und beginnen zukünftig, mit unseren Hauptverursachern zu sprechen, was denn deren Maßnahmen sind, wo sie heute stehen, und welche konkreten Pläne sie haben“, erklärt Volker Reulein, Vice President Purchasing der Miba AG.
Hemmnisse: Fehlende Vernetzung, hohe Kosten und wenig personelle Ressourcen
Den positiven Effekten stehen allerdings bei der Umsetzung kollaborativer Ansätze, so die Studie, zahlreiche technische und organisatorische Hemmnisse gegenüber. Über alle Unternehmensgrößen hinweg schätzen mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) den Zeit- und Kostenaufwand bei der Implementierung notwendiger Technologien als hinderlich ein. Besonders Unternehmen mit 250 bis 1.000 Beschäftigten sehen darin eine Hürde (83 Prozent). In dieser Größenordnung stehen der erfolgreichen Umsetzung zudem technologische Herausforderungen im Weg, welche die Zusammenführung von Informationen und Daten erschweren. Dreiviertel der Verantwortlichen nennen in diesem Kontext inkompatible IT-Systeme und Datenformate.
Insgesamt bewerten die Verantwortlichen jedoch fehlende personelle Ressourcen für eine intensive Kooperation mit den Partnern als größte Blockade bei der Realisierung erfolgreicher Kollaboration (65 Prozent). Als weitere Hemmnisse werden Sicherheitsbedenken beim Teilen von Daten mit anderen Akteuren in der Supply Chain (61 Prozent) sowie eine fehlende Vernetzung mit Lieferanten und Handelspartnern (59 Prozent) genannt. „Gerade KMU fehlt oft das interne Know-how und eine ausreichende Personalkapazität, um die vielfältigen Anforderungen kollaborativer Vernetzung bewältigen zu können. Externe Unterstützung kann hier helfen, die Umsetzung zu ermöglichen oder zu beschleunigen“, sagt Moritz Gborglah.
Technologien: Plattformen und Cloud-Lösungen als Werkzeuge der Vernetzung
Hohe Wirksamkeit für Kooperation innerhalb der Lieferkette messen die Befragten digitalen Technologien bei, welche dem vereinfachten Austausch von Informationen und Daten zwischen verschiedenen Akteuren dienen. Besonders bei Unternehmen mit 250 bis 1.000 Beschäftigten wird das Potenzial vernetzender Systeme sehr hoch bewertet. So sagen fast alle der Befragten (91 Prozent) in dieser Unternehmensgröße, digitale Plattformen wären bedeutend für das Monitoring interner und externer Supply Chain Daten. Mit 92 Prozent erreicht der Einsatz von Cloud Computing und Plattformlösungen einen nahezu identischen Wert, die Bedeutung von ERP-Systemen wird von 83 Prozent ebenfalls hoch eingeschätzt.
Für die Implementierung digitaler Lösungen zur Erhöhung der Supply-Chain-Transparenz wünschen sich mehr als sieben von zehn aller befragten Unternehmen (74 Prozent) Angebote ihrer Logistikdienstleister. In einer solchen Zusammenarbeit sieht Moritz Gborglah großes Potenzial: „Modernes und technologiebasiertes Supply Chain Management kann maßgeblich dazu beitragen, die Transparenz entlang der gesamten Lieferkette zu erhöhen und somit eine verstärkte Kooperation von Partnern zu ermöglichen. Logistikexperten wie Hermes Germany unterstützen Unternehmen mit der Bereitstellung von Cloud- und Plattformlösungen dabei, Hemmnisse zu beseitigen und die volle Kraft kollaborativer Zusammenarbeit innerhalb der Lieferkette zu nutzen“.