Logistiktrends : An Automatisierung und Nachhaltigkeit führt kein Weg vorbei
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Die Herausforderungen in der Logistik haben spätestens seit der Covid-19-Pandemie deutlich zugenommen. Waren die Themen Automatisierung und Nachhaltigkeit schon davor wichtige Zukunftsthemen, sind sie spätestens jetzt zu dringlichen Aufgaben gewachsen.
Das kann man auch am Themenkatalog der größeren Logistik-Events erkennen, die im Herbst über die Bühne gingen. So drehte sich etwa das Futurelab des VNL am Österreichischen Logistiktag in Linz stark um das Thema Energie, Ressourcen und Nachhaltigkeit. Um diesen Herausforderungen zu begegnen sei es jetzt an der Zeit für eine sektorübergreifende Zusammenarbeit, die auch Ressourcen schont, meint etwa VNL-Obmann Franz Staberhofer bei seiner Eröffnungsrede.
Doch Nachhaltigkeit ist ein breites Thema und verfügt vor allem über zahlreiche Begrifflichkeiten. ESG, Scope, CSRD sind nur einige davon. Scope etwa wird in drei Ebenen unterteilt: Scope 1 sind direkte Emissionen etwa wie die Kraftstoffverbrennung. Scope 2 umfasst indirekte Emissionen aus der Erzeugung von gekauftem Strom, Wärme und Dampf und Scope 3 - was viele Unternehmen noch nicht in ihre Emissionsüberlegungen mit einbeziehen - umfasst die Emissionen der Supply Chain, die naturgemäß schwer erfass- und messbar sind.
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Mittlerweile gibt es einige Unternehmen, die bei der Erfassung von Scope-3-Emissionen behilflich sind und auch dabei unterstützen, diese zu reduzieren, so wie etwa Carbontrust oder Sustainabill. Auch Ecoact, ein Beratungsunternehmen im Bereich Nachhaltigkeit, das Atos gekauft hat, hilft Unternehmen bei Nachhaltigkeitsbestrebungen.
Ecoact-Mitarbeiter Josef Rohregger, selbst auch Meteorologe, fand am Logistiktag des VNL deutliche Worte zur Bedeutung der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft und belegte sie mit Zahlen. So hat er etwa aufgezeigt, dass nach einer Studie der Europäischen Union die Investitionen in Digitalisierung der europäischen Länder um einiges weniger sein werden als jene in Nachhaltigkeit. Außerdem, stellte er fest, hätten sehr viele Unternehmen weltweit freiwillig in Nachhaltigkeit investiert - und diese Zahlen stiegen exponentiell.
Anforderungen für die Intralogistik
Auch am Logistics Summit in Hamburg kurz darauf ging es in einigen Diskussionsformaten um die Themen Automatisierung und Nachhaltigkeit. Nahezu alle Unternehmen werden in den nächsten zwölf Monaten in diesen Bereichen investieren, hieß es dort etwa von Frank Müller, Senior Vice President Brand Management bei Still EMEA.
Entsprechende Technologien seien verfügbar und würden schrittweise günstiger, die Einstiegsschwelle sinke rasant und gleichzeitig erhöhten Fachkräftemangel und steigende Löhne den Automatisierungsdruck auch für bestehende Lageranlagen. Haupttreiber für neue Projekte sei jedoch der Fachkräftemangel, was sich langfristig nicht ändern werde, so Müller.
Vor diesem Hintergrund stellte Marten Bosselmann die These auf: „Wer es nicht schafft, Mensch und Maschine bei der Automatisierung zusammenzudenken, hat die Zukunft der Logistik nicht verstanden“, so der Vorsitzende des deutschen Bundesverbands Paket und Expresslogistik (BIEK). Fehlende Arbeitskräfte und steigende Personalkosten machen seiner Ansicht nach die Automatisierung auch von Paketzentren unumgänglich. Dabei gehe es darum, Personal nicht zu entlassen, sondern zu entlasten. Es müsse den Unternehmen gelingen, „Mensch und Maschine zu Kollegen zu machen“, so Bosselmann.
Müller zufolge finde in vielen Managerköpfen gerade ein Umdenken statt. Das sei vor allem der Tatsache geschuldet, dass Automatisierung erschwinglicher werde. In bestehenden Anlagen seien Automatisierungsvorhaben künftig in kurzer Zeit und ohne große Veränderungen möglich. „Brownfield wird zum Trend“, prognostizierte Müller.
Projekte mit AMRs, die flexibel und leicht skalierbar sind, rechnen sich nach Aussage von Florian Menold zeitnah. Anders sieht es laut dem Geschäftsführer für Frankreich bei der Pfenning logistics group bei größeren Vorhaben aus. Angesichts immer kürzer werdender Vertragslaufzeiten mit Kunden seien sie für Kontraktlogistiker eine Herausforderung. Großprojekte rechnen sich Menold zufolge oft erst nach fünf Jahren. Damit Kontraktlogistiker neue Kunden mit unterschiedlichen Waren einfach ins Logistiknetz integrieren können, wünscht sich der Manager mehr Flexibilität. „Die Automatisierung ist heute noch nicht flexibel genug“, lautete seine These.
Umdenken müssen Intralogistiker – und ihre Kunden – auch beim Thema Zirkularität. Das betonte der Wissenschaftler Christoph Küffner von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. „Klimaschutz beginnt heute – ein Weiter-So gibt es nicht“, unterstrich der Forscher. Er prognostizierte, dass in der Logistik in den kommenden Jahren immer mehr Unternehmen nach dem durchgängigen Kreislaufwirtschaftsprinzip Cradle-to-Cradle handeln werden.
Karl Knipfelberg berichtete, dass bei Still bereits ein Umdenken stattgefunden habe: „Der zukünftige RXE ist der erste Gabelstapler, der zirkulär gedacht wird“, sagte der Vice President Counterbalance & Energy bei Kion ITS EMEA. Einer Konzeptstudie zufolge sind dadurch Kohlendioxid-Einsparungen im zweistelligen Prozentbereich möglich. „Nachhaltigkeitsmaßnahmen stabilisieren nur das Bestehende. Unternehmen müssen einen effektiven, funktionierenden Materialkreislauf einführen“, lautete seine These. Zirkularität müsse jedoch immer ganzheitlich gedacht werden – vom Produktdesign über die Lieferkette, die Produktion und den Kundeneinsatz bis hin zur Wiederverwendung.
Eine Philosophie, die auch im Nutzfahrzeugbereich Einzug hält, wie Frank Albers, Geschäftsführer Vertrieb & Marketing beim Fahrzeugwerk Bernard Krone, bestätigte. Bereits beim Trailer-Design werde von der Nutzung bis zur Entsorgung gedacht. Wesentliche Hebel sind dabei Gewicht, Aerodynamik sowie die Wiederverwendung von eingesetzten Materialien nach dem ersten Leben eines Trailers, das im Schnitt acht Jahre dauert. Vor Kurzem habe man auch eine elektrische Achse vorgestellt.
Das zweite Leben spielt im Rahmen der Kreislaufbetrachtung auch bei der Entwicklung von Flurförderzeugen eine immer wichtigere Rolle. Um Abstriche bei Zuverlässigkeit und Qualität auf Kundenseite zu vermeiden, arbeite man bei Still beispielsweise an Konzepten für die Wiederverwendung von Lithium-Ionen-Batterien oder an Strategien für die Nutzung von Brennstoffzellen im zweiten Geräteleben. „Technologieoffenheit ist uns wichtig“, so Knipfelberg.
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Digitalisierung ist zum Buzzword verkommen
Ebenfalls am Logistics Summit in Hamburg haben sich einige Diskutanten gefragt, warum Digitalisierung "eigentlich so lange dauert". Aufgrund von endlosen Projekten sei der Begriff Digitalisierung verbrannt, meinte etwa Enver Cetin, Leiter der Einheit Process and Digital Excellence innerhalb der deutschen Andreas Schmid Group, einem Logistik- und Speditionsunternehmen.
Oft würden sich Fachabteilungen gegen Digitalisierungsprojekte sperren, deshalb müsse sie schon davor ins Boot holen - und von einem realen Problem zur Lösung kommen. Weiters seien kurze Innovationszyklen wichtig, riesige IT-Projekte schrecken ab und verfehlen mit ihrer langen Projektdauer oftmals das Ziel.
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Deshalb werde oft selbst Software entwickelt. Doch warum baue man Inseln und verwende nicht Standards? Darauf hat Sunit Wahi, als Head of Supply Chain verantwortlich für die Wertschöpfungskette der Goodlife Company, eine Antwort: Weil man nicht alles in agilen kleinen Steps machen könne und damit auch nicht flexibel reagieren könne. Gleichzeitig müssen Coreprozesse in einer IT-Landschaft abgebildet werden, die sich nicht oft ändere.
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Das funktioniere vielleicht zwar in kleineren Unternehmen, aber nicht in Corporates, so Patrizia Schwalbe, die als Group Logistics Director die logistische Steuerung von Rohstoffen innerhalb des Aurubis-Konzerns und das Transportmanagement für Rohstoffe, Zwischenprodukte und raffinierte Kupferprodukte innerhalb der Aurubis verantwortet. Man könne in Konzernen nicht einfach ein ERP-System ausprobieren und dann wieder kübeln. Man müsse Standard-Software einsetzen und dann customizen.